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An Friedrich von Schuckmann

Weimar, d. 3. Octbr. 95.

Ihren wehrten Brief vom 25. Sept. habe ich erst gestern erhalten und da ich erst morgen erfahre ob Hufeland in der Mitte dieses Monats zu Hause seyn wird, kann ich erst diesen Brief von Jena, wohin ich eben gehe, absenden. Äusserst unangenehmen ist mirs daß ich eben eine Reise vorhabe, von der ich unter sechs Wochen nicht wieder nach Hause komme.

Seitdem ich Sie mir soviel näher weiß, beschäftigt mich der Gedancke sehr oft daß ich Sie wiedersehen könnte. Denn so manches auch diese Zeit her bey mir vorübergegangen und in mir vorgegangen ist, so [306] sind mir die würdigen Menschen, die ich kannte, nur immer werther geworden. Wieviel wurde mir nicht eine Unterhaltung einiger Tage mit Ihnen gewähren.

Daß Sie an der Metamorphose Theil genommen hatten wußte ich durch Reichart und ich freute mich um so mehr darüber, da sich meine lieben Landsleute in diesem Falle, wie in mehreren sehr stumm bezeigten. Wie angenehm würde mir es daher seyn, Ihnen die Sammlung die ich gemacht habe, in der Absicht die Idee immer deutlicher zu machen, und meine Fortgesetzten Erfahrungen vorzulegen, nicht weniger die Vermuthung ähnlicher Gesetze, wornach die vollkommeren Naturen organisirt seyn mögen, Ihnen vorzutragen.

Wie gern möchte ich von Ihnen hören wie es Ihnen bisher ergangen und was Sie Sich von Ihrem neuen Zustande versprechen. Ich würde Sie nach einer solchen Erneuerung unsres Verhältnißes bitten daß künftig kein so langer Zwischenraum unserer Correspondenz seyn möge.

Leider sehe ich aus Ihrem Briefe daß Ihr Knabe nicht ganz wohl ist das ich herzlich bedaure.

Wenn Sie in unsre Gegenden kommen, so schreiben Sie mir doch ein Wort wann Sie wieder zu Hause sind, kann ichs möglich machen, so besuche ich Sie bald.

Die folgenden Bände des Romans empfehle ich Ihrem stillen Antheil. Was würde aus einem Autor[307] werden wenn er nicht an die einzelnen, hier und da zerstreuten, Menschen von Sinn glaubte. Denn wie die deutsche Menge liest und wie sich diejenigen betragen die durch ihr öffentlich Urtheil, wonicht den Ton, wenigstens den Laut geben, bin ich bey meiner vier und zwanzig jährigen Autorschaft, freylich nicht zu meiner Erbauung gewahr worden.

Ich kann nicht ausdrücken wie leid es mir thut, daß ich Sie verfehlen soll und doch ist jetzt die Jahrszeit zum Reisen noch die beste, auch hängen Sie von Ihren Geschäften ab.

Lassen Sie mir nur bald wieder von Sich hören und mich hoffen daß ich das was mir diesmal entgeht bald auf eine andre Weile werde erlangen können.

Goethe.


Jena d. 4ten Octbr.

Hufeland ist mit seiner Familie nach Göttingen und wird unter 14 biß 16 Tagen nicht zurückseyn. Wenn die Abwesenheit auch dieses Freundes Ihre Reise verschiebt; so kann ich hoffen Sie noch zu treffen. Auf alle Fälle schreibe ich in einiger Zeit wo ich bin und wie es mit meinen Planen steht.

G. [308]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1795. An Friedrich von Schuckmann. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8D6A-F