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An Justus Christian von Loder

Ein heiterer erster Ostertag, den auch Ew. Hochwohlgeboren einen Monat später glücklich feyern und begehen mögen, gibt mir die erwünschte Stimmung, nach bisherigen sehr trüben Tagen Ew. Hochwohlgeboren meine Gedanken und Gefühle zuzuwenden und, in Erinnerung früherer vergangener Zeiten und im Genuß gegenwärtiger, auch in der Ferne dauerhafter Verhältnisse, ein in der Ferne dauerhafter Verhältnisse, ein Vertrauliches Schreiben an Hochdieselben zu erlassen.

Die Unbilden, die mich zu Ende vorigen Jahres betroffen, sind Ihnen gewiß zu herzlichster Theilnahme bekannt geworden. Mein Sohn, der freylich schon in bedenklichen Umständen durch Italien ging, schien durchaus sich erholen und auf dem Wege zu genesen. Allein zum Ziele seiner Laufbahn war ihm Rom vorgeschrieben, da es denn für mich kein geringer Trost bleibt, daß es dieses hohe Ziel erreicht und die Würde desselben, wenn auch nur kurze Zeit, empfunden und genossen hat. Sie haben, verehrter Freund, ein [174] Gleiches erduldet, und was hat derjenige nicht zu erdulden, der andere überlebt? er übernimmt ja gewisser maßen die Lebensbürden, die jenen eigentlich im Naturlaufe zugebracht waren.

Dieses Ereigniß, den ganzen sittlichen Menschen ergreifend, mit den daraus herfließenden Folgen einer vollkommnen Umänderung meiner Lebensweise, wollte denn doch der bejahrte Organismus nicht geduldig übertragen, sondern mußte sich erst durch die furchtbare Krise eines gewaltsamen Blutsturzes wiederum eine Art von Freyheit erkämpfen; zu der ich durch Hülfe eines trefflichen Arztes, unsres Hofraths Vogel, gelangt mich im thätigen Gleichgewicht zu erhalten trachte.

In solchen Epochen fühl ich erst recht den Werth eines allgemeinen Wissens, verbunden mit einer besondern Theilnahme an dem Guten und Schönen, das die unendlich mannichfaltige Welterscheinung uns darbietet; uns so darf ich wohl versichern, daß die mir gegönnten höchst wichtigen russischen Mineralien manche schöne Stunde des Betrachtens und Erinnerns gewähren; und wie sich Schatz zu Schätzen häuft, so haben Ew. Hochwohlgeboren höchst interessanten Nachsendungen einen frischen lebendigen Antheil mir immer zu erhalten gewußt, ja es sind, wie mich dünkt, durch Ihre Veranlassung, andere zugleich angeregt, und mir von dorther die köstlichen Dinge zugesendet worden.

Darf ich nun halb im Schmerz, halb im Ernst hinzufügen, daß ich Ihnen dagegen gleichfalls einen Schatz [175] zu senden vermeyne: er besteht in der 2. Hälfte meiner Werke vom 21. bis zum 40. Bande.

Hier soll aber Schatz nicht heißen: der Werth des Errungenen, sondern soll die Mühseligkeiten des Beschwörers andeuten, die er übernehmen müssen, um diesen Fund, wie er auch sey, zu Tage zu fördern. Auch von dieser Abtheilung fällt gar manches in die Zeit, wo wir, jung genug, der Gegenwart das Möglichste abzugewinnen trachteten, arbeiteten und genossen, erreichten und hofften. Es war eine schöne Zeit, deren Sie sich gewiß auch gern erinnern.

Lassen Sie in Erwiderung des Gegenwärtigen mich vernehmen: wie weit die ungeheuren Anstalten gediehen sind, denen Sie, versehen mit hinreichenden Mitteln, freudig Ihre Thätigkeit zu widmen fortfahren.

Das Kästchen mit gemeldeten zwanzig Bändchen sende, wie das vorige Mal, nach Braunschweig, da denn die schöne Jahrszeit, von Lübeck aus die Überfahrt begünstigend, Ihnen meine Arbeit vor Augen und meine Gesinnungen an's Herz legen möge.

Meinen ehemaligen werthen Herrn Nachbar, in dessen mir gefällig abgetretenem Garten frühzeitig hervorgehen, wünsche zum allerschönsten gegrüßt.

Hochachtungsvoll, vertrauend

Ew. Excell.

gehorsamster Diener.

Weimar den 7. April 1831.

J. W. v. Goethe. [176]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1831. An Justus Christian von Loder. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8D8F-E