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An Johann Heinrich Meyer

Weimar den 22. Januar 1796.

Es ist recht schön, daß gleich anfangs unsere Briefe im Wechsel gegangen sind, auf diese Weise können wir öfter Nachricht von einander haben.

Ihren Brief vom 12. Dec. habe ich in Jena erhalten, wo ich mich aufhielt um das siebente Buch meines Romans in Ruhe zu schreiben. Schiller grüßt Sie bestens. Wir sind jetzt im Gusto Disticha, zu Ehren unserer Freunde, zu machen, wovon ich Ihnen einige beylegen werde. Sie sollen bald die Briefe für Neapel haben, um sich solcher nöthigenfalls bedienen zu können, ich hoffe auch bis dahin eine Auszahlung an Heigelein zu bewirken. Über Ihre Entdeckung freue ich mich sehr, und ich bin überzeugt daß Sie nach und nach eine reiche Erndte finden werden und danke für die Nachrichten, ob sie gleich nicht alle tröstlich lauten. Ich wünsche Glück zu den Spaziergängen auf Piazza Navonna.

Geben Sie doch auf die letzten Stücke der Horen acht, worin vielsagende Abhandlungen Schillers über die naiven und sentimentalen Dichter stehn, auch werden Sie, in den ersten Stücken der Litteraturzeitung dieses Jahres, das Elogium des poetischen Theils der Horen lesen, worüber sich die Widersacher männiglich erzürnen werden.

[7] Wenn Ihnen ein kleines Buch begegnet: Le Antichita di Roma per Lucio Mauro Appresso le statue antiche per Ulisse Aldrovandi, so sehen Sie doch hinein. Es ist merkwürdig, wegen des Anhanges, in welchem Aldrovandi die Antiken recensirt, wie sie zu seiner Zeit in öffentlichen und Privatgebäuden zu Rom standen. Auch habe ich eine kleine Schrift gefunden die sehr interessant ist, sie führt den Titel: Quaestiones Forcianae und ist ein Dialog in gutem Latein, in welchem die Sitten und Arten der verschiedenen Bewohner Italiens, mit großer Freymüthigkeit, gegen einander gestellt werden. Es mag in der Hälfte des 16. Jahrhunderts geschrieben seyn, ging lange im Manuscript herum und ward zuletzt, nicht ohne Verdruß des Herausgebers, gedruckt. Ich will sehen, daß ich einen tabellarischen Auszug daraus mache, um den Überblick der Verhältnisse zu erleichtern, und Sie sollen alsdenn eine Abschrift erhalten, die Ihnen gewiß Vergnügen machen wird. Sie sehen, daß ich, indem Sie aus den lebendigen Quellen schöpfen, fortfahre, mich aus Büchern vorzubereiten, wodurch wir denn doch, wie Sie auch bey Ihren perusinischen Nachrichten bemerken, im Suchen und Untersuchen sehr gefördert werden müssen. Auch fahre ich fort, indem Sie der heiligen Form huldigen, dem Element, der Masse, und den geringeren Organisationen nachzuspüren. In alle die Fächer, deren Liebhaberey Sie mir kennen, wird täglich etwas neues eingebracht.

[8] Wir haben hier unglaublich schönes Wetter, meist heitern Himmel und oft wahre Sommertage, wie sieht es damit in Rom aus?

Was Sie zu den Horen schicken, wird sehr willkommen seyn. Suchen Sie ja auch etwas brauchbares von andern zu erlangen. Schiller wünscht selbst einige Zeit pausiren zu können und ich kann ihm, wegen des Romans und wegen anderer Umstände, nicht so wie ich wünschte beystehen.

Ich habe den Brief von Uden an Böttiger gesehen, der mir recht wohlgefällt. Beobachten Sie doch diesen Mann und sehen Sie in wie fern es räthlich wäre sich mit ihm einzulassen? worauf er gesammelt und was er vorzüglich beobachtet hat? Wir können ihm aus alle Fälle seine Arbeiten besser bezahlen als ein Buchhändler thun würde (siehe Böttchers Brief). Sehen Sie doch auch, was Hirt etwa besitzt und was man dem abnehmen könnte. Wir brauchen und dürfen uns ja im Anfang nicht merken zu lassen wo wir hinaus wollen.

Die acht großen Poussins wovon ich schon zwey besaß, habe ich durch die Aufmerksamkeit und Vorsorge der regierenden Herzogin, aus der Frauenholzischen Auction bekommen, leider sind 4 davon sehr ausgedruckt und 4 aufgestochen, so daß man nur die Ideen davon noch sehen kann. Wenn Ihnen alte Abdrücke begegnen, so versäumen Sie ja nicht sie einzukaufen, hier ist das Verzeichniß.


[9] Dedicirt an den König Ludwig XIV.

1. Gegend am Ätna. Polyphem sitzt auf dem Gipfel des Felsens, unten Feldarbeiter, ein Flußgott und Nymphen.

2. Diogenes und der Jüngling der aus der Hand trinkt.

3. Der Mann von der Wasserschlange umwunden, die verschiedenen Stufen des Schreckens und der Furcht.

4. Orpheus und Euridice, der Hintergrund dem Kastel St. Angelo ähnlich.


Dedicirt an den Herzog von Bourbon.

1. Phocions Begräbniß (besitz ich).

2. Eine Heerstraße, ein Mann der Wasser schöpft, ein Mann und Weib ruhend.

3. Phocions Grab (besitz ich).

4. Ländliche Gegend, großer Wassernapf im Vordergrund, ein Alter wäscht die Füße, gegenüber, an einem Monument, ein Jüngling und ein Mädchen sitzend. Was Sie von den Pfuschereyen in der Villa Borghese schreiben ist freilich traurig, doch geht es bey uns nicht besser und wir können also von dort her Trost schöpfen. Des Bauens und Anlegens aus dem Stegereife und ohne Riß und Plan ist kein Ende, man fürchtet sich vor einer großen Idee, die auszuführen und vor einer großen Summe, die auszugeben ist; aber eben diese Summe nach und nach für Anstalten [10] zu verzetteln die man am Ende gern wieder wegkaufte, muß unglaublich reizend seyn. So will es das unerbittliche Schicksal der Menschen und dabey mags denn auch bleiben. Leben Sie recht wohl. Hier noch einige Disticha und ein Blat von Böttcher.

d. 25. Jan. 1796.

G.

Der Teleolog.

Welche Verehrung verdient der Weltschöpfer, der gnädig,
Als er den Korkbaum erschuf, gleich auch die Stöpsel erfand.

Der Antiquar.

Was ein christliches Auge nur sieht erblickt ich im Marmor:
Zeus und sein ganzes Geschlecht grämt sich und fürchtet den Tod.

Der Kenner.

Alte Vasen und Urnen! Das Zeug wohl könnt ich entbehren,
Doch ein Majolica-Topf machte mich glücklich und reich.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1796. An Johann Heinrich Meyer Der Teleolog. Der Antiquar. Der Kenner.. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8D98-7