16/4507.

An Friedrich Schiller

Ich werde mich wohl bald entschließen meinen hiesigen Aufenthalt abzubrechen und wieder zu Ihnen zu kommen. Da freue ich mich denn auf unsere Abende, um so mehr als wir manches neue einander werden zu communiciren haben.

Wenn die dabey interessirte Gesellschaft das Abentheuer vom 5. h. m. einigermaßen verschmerzt hat, so wollen wir bald wieder ein Picknick geben und die neuen Lieder, die ich mitbringe, versuchen. Haben Sie denn die Ihrigen etwa Zeltern mitgegeben? da die Körnerischen Compositionen nicht greifen wollten?

Ich wünsche Ihnen einen recht guten Humor und eine recht derbe Faust, wenn Sie auf die irenische Einladung antworten. Es wäre recht schön wenn Ihnen eine Epistel glückte, die auf alle das Packzeug paßte, dem ich immer größern Haß widme und gelobe.

Ich freue mich zu hören daß Sie Ihre Johanna, auch für uns, der theatralischen Möglichkeit nähern wollen. Überhaupt müssen wir, da wir mit dieser Vorstellung so lange gezaudert, uns durch irgend etwas auszuzeichnen suchen.

Mit der Iphigenie ist mir unmöglich etwas anzufangen. Wenn Sie nicht die Unternehmung wagen, die paar zweydeutigen Verse corrigiren und das Einstudiren dirigiren wollen, so glaube ich nicht daß es[57] gehen wird, und doch wäre es in der jetzigen Lage recht gut und sie würde denn vielleicht für andere Theater verlangt, wie es ja schon mit dem Nathan gegangen ist. Rhadamist und Zenobie ist, bey näherer Betrachtung, ein sehr merkwürdiges Stück, der höchste Gipfel einer manierirten Kunst, wogegen die Voltairischen Stücke als reine Natur erscheinen. Das, was an diesem Stücke imponirt, ist wahrscheinlich die Kainische Lage des Helden und der unstete Charakter, der an das Schicksal jenes ersten Brudermörders erinnert. Es übrigens aufs deutsche Theater zu heben sehe ich noch keine Handhabe.

Zu der Bekanntschaft des heiligen Bernhards gratulire ich. Wir wollen sehen Specialiora von ihm zu erfahren.

Unsere hiesigen theologischen Freunde sind in üblen Umständen. Griesbach leidet an seinen Füßen und Paulus mit seiner Frau. Sie ist sehr übel dran, so daß ich für ihre Existenz fürchte und die Natur kann nun wieder eine Weile operiren, bis sie ein so neckisches Wesen zum zweytenmale zusammen bringt.

Zelter hat sehr lebhafte Eindrücke zurückgelassen. Man hört überall seine Melodieen und wir haben ihm zu danken daß unsere Lieder und Balladen durch ihn von den Todten erweckt worden.

Das Bibliothekswesen klärt sich auf. Breter und Balken schwimmen die Saale hinunter, zu dem neuen Musentempel in Lauchstädt. Lassen Sie doch auch[58] dieses unser Unternehmen auf Sich wirken und thun Sie für Ihre ältern Sachen was Sie können. Zwar weiß ich wohl wie schwer es hält, doch müssen Sie nach und nach, durch Nachdenken und Übung, dem dramatischen Metier so viel Handgriffe abgewinnen, daß Genie und reine poetische Stimmung nicht gerade zu jeder Operation nöthig sind.

Sonst habe ich einiges gelesen und getrieben. Sehr merkwürdig war mir ein Blick in das Original von Browns medicinischen Elementen. Es sieht einem daraus ein ganz trefflicher Geist entgegen, der sich Worte, Ausdrücke, Wendungen schafft und sich deren mit bescheidener Consequenz bedient, um seine Überzeugungen darzustellen. Man spürt nichts von dem heftigen terminologischen Schlendrian seiner Nachfolger. Übrigens ist das Büchlein im Zusammenhange schwer zu verstehen und ich habe es deswegen bey Seite gelegt, weil ich weder die gehörige Zeit noch Aufmerksamkeit darauf wenden kann.

Seitdem ich dieses dictirt, habe ich mich entschlossen Dienstag nach Weimar zu gehen. Da Sie denn, zum Voraus, auf den Abend schönstens eingeladen sind.

Wollten Sie sich erkundigen: ob die Freunde Mittwoch Abends bey mir zusammenkommen wollen? und in jedem Falle das Ja oder Nein in mein Haus wissen lassen.

[59] Da ich nun so bald das Vergnügen hoffe Sie zu sehen, füge ich nichts weiter hinzu.

Jena am 19. März 1802.


G.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1802. An Friedrich Schiller. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8DA7-5