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An Friedrich Theodor von Müller

Ew. Hochwohlgeboren

wohlthätiges Schreiben vom 1. November gelangt zu mir am 7., eben als die nächsten Hausfreunde, zu der zweyten Wiederkehr dieses Festtags Glück wünschend, ein heiteres Gastmahl bey mir einnehmen, wobey wir Sie abermals zu vermissen haben. Dagegen freylich schwelgen Sie noch in diesem Augenblick an einer hohen und herrlichen Tafel, deshalb wir Sie allerdings beneiden. Hat Sie, theuerster Freund, ein neuliches Brieflein meines Sohns vom [Lücke] in der Zwischenzeit angetroffen, so werden Sie mit Vergnügen ersehen haben, daß Ihr Wunsch erfüllt worden und ein anmuthiges gesundes Mädchen auf die Welt gekommen sey. Daß die Mutter bey ihrer zarten Constitution an den natürlichen Folgen solcher Ereignisse mehr als andere zu dulden habe, müssen [151] wir uns theilnehmend gefallen lassen und dürfen es um so eher, als ihr wackerer Charakter auch in diesen unangenehmen Zuständen treulich wirksam ist.

Wir fahren indessen fort zu arbeiten und zu sinnen. Die Herren vom Globe nehmen treulich Notiz von uns und man muß trachten, hievon Vortheil zu ziehen. Ein Heft von Kunst und Alterthum bereitet sich vor, und wegen der Insertion Ihres alle Anerkennung verdienenden Gedichtes wird sich zunächst verhandeln lassen. Schon habe ich darüber gedacht, wie man es in allen seinen Theilen verständlich und anschaulich machen könne. Noch neuerlich hat mich hierauf das Verfahren der Engländer aufmerksam gemacht, das wir allerdings nachahmen sollten, besonders bey Gelegenheitsgedichten, wo alles darauf ankommt daß das poetisch Dargestellte zugleich als wirklich vorhanden angeschaut werde.

In Nürnberg können Sie mir einen großen Dienst erzeigen; Herr Schmidmer, sich aus sein altes gutes Verhältniß beziehend, schickt mir ein großes Paquet zu vertheilender und verschickender Subscriptions-Anzeigen; die guten Menschen bedenken nicht, daß ich in meinen hohen Jahren mich mit einem so complicirten Geschäft nicht befassen, eine weitläufige Correspondenz deshalb nicht führen kann. Hab ich doch kein zu solchen Zwecken eingerichtetes Comptoir, wie Zeitungs- und Tagesblätter sich einrichten müssen, was ihnen zukommt mechanisch zu behandeln.

[152] Da ich mit Herrn Rauch im besten Verhältniß stehe, so werde ich zunächst von jedem Vorschritt eines solchen Geschäftes unterrichtet; er wird ein treffliches Kunstwerk leisten und ich werde im Anfang und im Laufe der Arbeit das Beste davon sagen können. Von einem Zukünftigen zu sprechen habe ich nicht leicht unternommen.

Von dem größten Werth ist mir was Sie uns von München werden zu berichten haben. Da uns daran gelegen seyn muß, uns in jedem Sinne dorthin dankbar zu beweisen und wir es bey so großem echten Unternehmen und kräftiger Behandlung auch redlich und einfach thun dürfen, so ist es für uns ein großer Vortheil. Hiezu gehört aber die eigenste Kenntniß, um nicht in Phrasen und Allgemeinheiten sich zu ergehen und vielleicht durch etwas Falsches ein Unerfreuliches zu bewirken.

So viel ich noch zu sagen wünschte, muß ich schließen, um die Post nicht zu versäumen.

treulichst

Weimar den 7. November 1827.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1827. An Friedrich Theodor von Müller. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8DB3-7