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An Sulpiz Boisserée

Wenn eine Correspondenz von Zeit zu Zeit stockt, so ist es dagegen auch wieder gut wenn zuweilen die Briefe im Wechsel gehen, und soll auch dieser, ehe ich Nachricht von meinem letztabgesendeten erhalten, zu Ihnen unverzüglich wandern. Ich habe um Vergebung zu bitten, daß ich der freundlich übersendeten Schriften nicht erwähnte; mir geht so viel vor der Seele vobey, daß ich es nicht immer wieder auffassen kann gerade wenn ich's brauche. Herrn Jägers Werk, den ich schönstens zu grüßen bitte, kam mir bald nach dem Abdruck meines ersten Hefts Morphologie zu Handen, es steht durchschossen neben mir, manches ist bemerkt und nachgetragen, auch wird in meinem zweyten Heft desselben dankbar und ehrenvoll gedacht. Einige Erinnerungen nimmt mir der würdige Verfasser nicht übel; jeder hat seine Sinnesart und muß sehen, wie er sich durchhilft.

Auch das Jahrbuch hat mir viel Vergnügen gemacht, die Abbildung der Überschwemmung von Cannstatt ist mir deswegen auch sehr merkwürdig, weil sie einen anschaulichen Begriff giebt, wie es dort ausgesehen haben mag, als die Elephanten verschüttet wurden. Sobald das Frühjahr erlaubt sich mit dem kalten Geisten abzugeben, machen wir ein Schwänchen von fossilen Knochen zusammen und übersenden es, [179] in Hoffnung geneigter Erwiderung von Cannstätter Seltenheiten.

Ihre körperliche Beschwerden, mein Bester, bedauere mehr als meine eigenen. Die Jugend fordert freyen Gebrauch ihrer Glieder; nicht allein der Jüngling selbst macht Ansprüche an sich, die Welt läßt's auch daran nicht fehlen. Da man von uns Alten keinen Botengang mehr fordert; so verzeiht man, wenn wir bey'm Spazieren ein wenig hinken und säumen. Die mir mitgetheilten Durchzeichnungen und Umrisse sollen Freunden und Freundinnen nochmals als kostbare Schätze vorgewiesen und sodann alsobald abgesendet werden.

treulichst

Weimar den 6. März 1820.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1820. An Sulpiz Boisserée. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8DD0-5