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An Carl Friedrich Zelter

Da ich weiß, daß man dich immer in den besten Humor versetzt wenn man etwas Löbliches zu deines alten Königs Erinnerung einleitet; so sende ich dir hiebey eine gute Messerspitze Steinsalz, mit dem freundlichen Ersuchen: sie zunächst in deine Suppe zu schütten und wenn du davon den Geschmack auf deiner Zunge empfindest, dabey zu bedenken: daß Friedrich der Zweyte nicht leicht eine angenehmere Mittagstafel genossen hätte, als wenn man ihm seine Speisen mit solchem Erzeugnis seines eigenen Reiches gewürzt, und er seine goldnen Salzfässer damit reichlich angefüllt gesehen hätte. Laß uns das dankbar erkennen [181] daß wir, so viel Jahre ihn überlebend, von einer unglaublichen fortschreitenden Einsicht und Thatgeschicklichkeit so manches Unerwartete genießen.

Seit der Zeit daß ich dir wichtige Einsicht in den Staatskalender der Hölle gegeben, ist mir manches Gute von außen gekommen und hat sich aus dem Inneren auch einiges Behagliche entwickelt.

Unterlassen aber darf ich nicht auszusprechen: daß deine Zustimmung, die du dem mentalen Musikgenusse gönnst, mir sehr wohltätig ist, denn ich muß mich jetzt damit begnügen, und es ist immer erbaulich sich zu überzeugen: daß im hohen Alter die verständige Vernunft, oder, wenn man will, der vernünftige Verstand sich als Stellvertreter der Sinne legitimiren darf. Du wirst, deinem glücklichen Beruf zu Folge, nie in dem Fall seyn, dieser ernsten Surrogate zu bedürfen.

Deine Relation von Spohrs Oper gibt einen neuen Beweis: daß, wenn schon die Poesie in völlige Nullität sich auflöst, der Musikus doch dabey seine Rechnung finden, eine Darstellung befriedigen, ja theilweise sogar entzücken kann.

Heute Abend geben sie zum dritten Mal die Stumme von Portici, und ich höre viel Gutes von der Einleitung und Durchführung des ganzen. Ich habe schon umständliche Relationen vernommen, von meinem Enkelknaben und so aufwärts , von wohlwollenden Zuhören. Im Fortschritt und Zusammenhang mag es wohl ein anziehendes lebhaftes Stück seyn.

[182] Über alles dieses darf ich nicht vergessen, daß, zu unsrer Danknehmigkeit, die köstlichen Rübchen angelangt sind; sie behaupten auch dießmal ihre alten Tugenden, indessen die Kastanien, welche man ihnen zuzugesellen pflegt, dieses Jahr gar sehr zurück bleiben; so daß also, wenn der Teufel von Papefigue dießmal auf Werneuchen gewettet hätte, er seinen Gegner, der auf Kronberg parirt, möchte durchaus überwunden haben.

Vorstehendes liegt schon mehrere Tage, und nun send ich es nicht ohne Entschuldigung; denn ich kann dir vertrauen daß ich bisher von bösen Geistern, zwar nicht besessen aber doch unterhalten und abgehalten worden. Mit dem alten Faust bin ich zeither in Connexion geblieben und habe, in der letzten Zeit, ihn und seine Gesellschaft besonders cultivirt. Meine einzige Sorge und Bemühung ist nun: die zwey ersten Acte fertig zu bringen damit sie sich an den dritten, welcher eigentlich das bekannte Drama, Helena betitelt, in sich faßt, klüglich und weislich anschließen mögen. Du wirst mir also meine Retardation verzeihen um das Bröselein Salz im evangelischen Sinne aufzunehmen wie geschrieben steht: Habet Salz bey Euch und Friede unter einander.

Schließlich aber beschäftigt mich eine häusliche Sorge, wegen der ich dich zu Rathe ziehen möchte. Du erinnerst dich wohl, daß bey deinem Hierseyn, du uns ausscholtest wegen unsrer unsteten und intermittirenden [183] Heizung und dich rühmtest der immer gleichen Wärme deiner Zimmer.

Nun werd ich, obgleich mitten im Winter, veranlaßt, ein paar neue Öfen zu setzen und da wollt ich bey dir anfragen, ob die deinigen aus der aus der Fabrik des Herrn Feilner sind? Ob du damit nach wie vor noch zufrieden bist?

Auf jeden Fall wünschte ich gerade Herren sendeten mir ihre Zeichnungen und Preiscourant wie sie solche gewöhnlich mittheilen. Transport und Aufsetzung durch hiesige Töpfer gibt immer noch manche Bedenklichkeit. Erzeige mir den Gefallen, denn ich hoffe durch deine Vermittelung schneller, und wohl auch billiger, als vielleicht sonst bedient [zu] werden. Es versteht sich, daß ich die Zeichnungen, wenn sie nicht etwa lithographirt sind und abgelassen werden können, alsobald zurückschicke.

und so fortan in's neue Jahr

Weimar den 16. December 1829.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1829. An Carl Friedrich Zelter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8DDA-2