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An Friedrich Constantin von Stein

Neapel, den 10. März 1787.

Ich danke dir, mein lieber Fritz, für deinen Brief, in welchem mich der Ausdruck deiner Liebe und Neigung recht herzlich freut. Wenn ich dir nicht oft wiederhole, daß ich dich sehr zu mir wünsche, so verschweige ich nur, was mir fast täglich im Gemüthe ist. Denn was ich sehe, ist gar schön und lehrreich, und du würdest es noch mehr genießen als ich.

Ich komme sobald zurück, als mir möglich ist, sobald ich mir nur eine gewisse Art, von Kenntniß von diesem Lande erworben, sobald ich das Merkwürdigste von Natur und Kunst gesehen habe. Dann will ich dir viel erzählen, wir wollen mancherlei Betrachtungen anstellen, und mit der Zeit will ich dich einmal selbst hierher bringen.

Mache dir keine traurigen Vorstellungen von meinem Außenbleiben. Es war mir höchst nöthig, [207] daß ich wieder eine große Masse von Kenntnissen, von neuen Begriffen mir eigen machte, an denen ich wieder eine Weile verarbeiten kann. Es wird mir und alle den Meinigen zu Gute kommen.

Hier ist ein Land so lustig und heiter wie du gewöhnlich bist. Die See und das Land geben genug her, um die Menge Menschen leicht zu nähren. Die Märkte sind voll Fische. Blumenkohl wird auf Eseln häufig zum Verkaufe durch die Stadt getragen, und die Höcker haben Alles voll Rosinen, Mandeln, Feigen, Nüssen, Pommeranzen u. s. w. Das Brod ist gut und es fehlt nicht an Fleische. Jedermann lebt in den Tag hinein, weil ein Tag dem andern gleicht und man sich auf keine Zeit des Mangels, keinen Winter vorzubereiten hat. Ich bin oft am Meere. Seit einigen Tagen ist es in starker Bewegung.

Schreibe mir bald wieder. Ich werde deine Briefe richtig erhalten, wo ich auch sey. Bald werde ich Herculanum, Pompeji, und dann auch Pästum sehen. Grüße, wen du von mir zu grüßen gut und artig findest, ich billige Alles.

Grüße Ernsten und laß ihn mir auch einmal schreiben, was er macht. Empfiehl mich deiner Großmutter zu geneigtem Andenken; ich freue mich aus mehr als einer Ursache nach Hause, und du bist eine der ersten.

Lebe wohl und gedenke mein.

G. [208]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1787. An Friedrich Constantin von Stein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8E1E-4