27/7481.

An August von Goethe

Zum Dienstag.

Der Musikdirector Hermstedt, von Sondershausen, bläst die Klarinette sehr vorzüglich. Er hatte die sämmtliche Harmonie, das heißt: über ein Dutzend blasende Künstler, mitgebracht, auf die der Fürst viel verwendet, sie machten ihre Sachen sehr gut.


Mittwoch den 31. July.

Freundlicher Sonnenschein. Getrunken und gebadet. Von Werthern und Böhme waren abgegangen. Bey Hofrath Brand, einem geschickten Musik ausführenden Liebhaber, Wiederholung des gestrigen Duetts von Klarinet und Flügel. Dann beschäftigten uns die von Petersburg gekommenen Risse, die innere Decoration der Zimmer unserer jungen Herrschaften darstellend. Sie sind sehr glücklich gerathen und werden dieses gefährliche Geschäft gar gut fördern. Sind alsBlumen anzusehen.


Donnerstag den 1. August.

Getrunken und gebadet. Mit thüringischen Chroniken, sehr angenehm und belehrend, beschäftigt. Abends besuchten wir die Tuffsteinbrüche und sammelten viele Schnecken. Dann zu den Sandsteinbrüchen, von da auf den Hügel, wo die Aussicht sehr angenehm ist. Der Ettersberg spielt überall eine Hauptrolle.

[130] Nachricht von ausgegrabenen Menschen-Schädeln und -Gebeinen. Durchaus erhaltene Zähne. Wahrscheinlich uralt. Man verspricht mir dergleichen.


Freitag den 2. August.

Die Cur regelmäßig fortgesetzt. An St. Rochus gearbeitet. Von Hardenbergs, genannt Novalis, Necrolog. Er hat hier beym Amte drey Jahre practizirt. Seine kranke Geliebte war aus der Gegend.

Wallfahrt zu Frau Burgemstr Hufland Grabe. Starb 1750.

Zu den Tuffsteinbrüchen. Sie liegen unterhalb der Stadt, in der Fläche. Größere und kleinere, unveränderte Muscheln gesammelt. Es sind eigentlich nur zweierley Arten, wovon nebenbey die Abbildung.

Abends thüringische Chronik, bis zur Regierung Heinrich des ersten.



Sonnabend den 3. August.

Cur fortgesetzt. Man merkte keine Anstalt zur Geburtstagsfeier. Kaufmann Otto von Jena durchreitend. Erfuhr manches durch ihn.

[131] Nach Tische besuchte mich Kreis-Amtmann Just, ein verdienter und gebildeter Mann. An meinen Jahren. Wir konnten die Epochen der politischen, philosophischen und ästhetischen Entwicklungen, die wir erlebt, ziemlich aus gleichem Gesichtspunkte, besprechen.

Höhe nach Weißensee. Aussicht in die Runde, von der Sachsenburg bis zum Ettersberg von da bis zum Inselberg, ja bis zum Hörselsberg.

Nachts Ball, zu Ehren des Tags.


Sonntag den 4. August.

Cur fortgesetzt. Lage und Geschichte von Tennstedt, giebt ein hübsches Tableau. Spaziergang, den Grund gegen Urleben hinauf, der auch noch zur Tennstedter Flur gehört. Diese enthält neun Tausend Acker. Was sagest du zu einer solchen Stadt-Flur? Laß doch von einem Ökonomen ausrechnen wieviel zweyspännige Fuhren Mist jährlich gefahren werden müssen, um das Drittheil zu düngen. Der Dünger kommt alle aus der Stadt, durch eine lange Straße, entweder das obere, oder das untere Thor hinaus. Dencke dir den Zustand des schlecht unterhaltnen Pflasters.


Montag den 5. August.

Und nun will ich diese Sendung schließen, die Herr von Metzsch vielleicht mitnimmt. Die Cur bekommt uns beyden vortrefflich, wir sind jeden Tag beynahe 5 Stunden auf den Beinen. Das Frisel am [132] rechten Arm, das mich schon über ein viertel Jahr quält, ist so gut wie weggezehrt. Auch in Gliedern und Gelenken fühl ich mich freyer. Doch muß man erst die zwey und zwanzig Bäder abwarten und sehen was hernach zu thun ist. Das Wetter ist trocken, obgleich der Wind noch aus Westen geht und die Atmosphäre mit sich selbst noch uneinig ist.

Frau Hofrath Meyer wird wohl auf einige Wochen hierher kommen. Suche mir ein halb Dutzend Bouteillen Burgunder mit her zu schicken, dieser löbliche Trank wird gar sehr vermißt.

Sende auch was sonst noch Neues zu Handen ist und mich interessiren könnte. Vielleicht giebt Herr Geheimerath und Staats-Minister v. Voigt etwas mit, Inliegendes gieb an denselben. St. Rochus ist schon sehr weit gediehen. Wir sind an der dritten Abschrift. Da sich denn die Ausführung jedesmal verbessert und erweitert.

Die große Ruhe und Abgeschiedenheit, in der man hier lebt, ist solchen Arbeiten sehr günstig. Ich denke noch manches zu leisten eh ich von hier abgehe.

Vom Herzog von Gotha habe noch nichts vernommen; wird Wetter und Weg besser, so melde ich mich. Frau von Bechtolsheim ist bey ihm.

In die Nachbarschaft zu den wohlhabenden und sonst interessanten Gutsbesitzern Ausflüge zu machen hindert der schreckliche Weg.

[133] Grüße Kräuter. Ich hoffe es ist etwas unterwegs hierher. Denn da man den Ettersberg noch sieht möchte man wissen wie es Haufe steht.

G.


Da Herr v. Metsch nicht über Weimar geht, sende gegenwärtiges mit der Post. Sende mir mit Fr. Hofr. Meyer auch etwas beschnittenes Mittel- auch Briefpapier und versäume die gute Gelegenheit nicht manches an mich zu spediren.

Der Treppenbau mag ruhen bis ich wiederkomme. Theile Theilnehmenden aus dem Tagebuch mit. Schreibe wann St. Mstr. von Voigt Jubiläumstag fällt. Sondire bey der Kammer und sonst was man im zu Ehren zu thun gedenckt. Lege dich nicht an Laden, aber sey nicht unthätig in diesem Falle. Nun lebe wohl. Versieh das Haus gut. Sodann bemercke wann gegenwärtiges ankommt und melde mirs.

Auch gieb der Frau Hofr. Meyer sechs ExemplareHerrmann und Dorothea mit, sie liegen ganz hinten in der unteren Papierschublade an meinem Schreibtische rechts. Man bindet hier gar artig, wohlfeil und geschwind.

Einen Kasten mit allerley Gestein mache ich zurecht damit ihn der Kutscher mit zurücknehme. Das allerletzte Flözgebirg ist auch nicht ohne Interesse.

Nun schließe ich wircklich und grüße zum schönsten.

Tennstedt d. 6. Aug. 1816.

G.


[134] Eben als ich siegeln willkommt das Packet, welches mich sehr erfreut. Kräuter soll gelobt seyn, wenn er hier wäre ging es freylich rascher mit meinen Expeditionen. Indessen lernt Carl etwas und ist beschäftigt.

Die Briefe von Boisseree und Seebeck enthalten Theilnahme.

Wegen John will ich dencken. Es fällt mir nicht so gleich was ein.

Dieser Brief müßte der Analogie nach Freytag den 9 ten zu euch kommen.

Nun lebet wohl und bereitet mir einen freundlichen Empfang.

G.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1816. An August von Goethe. An August von Goethe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8E3A-4