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An Christian Heinrich Schlosser

[Concept.]

Um diese Zeit, mein Theuerster, hofft ich bey Ihnen zu seyn, aber mein wohlbedachter Plan ward unterbrochen und zerstört Unfälle auf Unfälle häuften sich und ich schwieg den Freunden lieber: denn nichts ist schlimmer als wenn man traurige hypochondrische Momente in die Ferne mittheilt. Nun will ich aber nicht länger schweigen und kürzlich nur weniges an Sie gelangen lassen.

Mit Ihrem Büchlein ist es mir wunderbar gegangen, ich habe mich dergestalt in die Region der Wissenschaft und Kunst zurückgezogen, daß ich die Welt ihr übriges gar gern für sich behandeln lasse. Ihre Vorrede las ich mit Vergnügen und Antheil. Der Franzos erinnerte mich an verdrießliche Dinge, aber in Ihren Anmerkungen hört ich einen Freund sprechen und vernahm eine sinnige gewohnte Stimme. Und so bin ich gerade ein umgekehrter Leser den Sie nicht erwarten sollten. Ich habe die Noten gelesen, den Text nicht, denn bey einige Zeiterfahrung belehrten [173] mich die Noten was im Text hätte stehen sollen.

Wie sehr mich diese Ihre wohlgefühlten und gedachten Äußerungen erfreuten können Sie daraus sehen, daß selbst das, was Sie über Hierarchie sagen, mir keineswegs zuwider war, ob ich gleich unter diejenigen gehöre, die das Jubiläum der Evangelischen Kirche, das uns im nächsten Jahre hereintritt, am herzlichsten feiern. Das Eigene, was ich mir bey dieser Feier denke, dürft ich nur mündlich sagen, Sie würden lächeln und, wenn ich sogar als Collectant käme, einem Beytrag nicht abgeneigt seyn.

Grüßen Sie mir Ihren Herrn Bruder auf's herzlichste. Ich darf kaum ausdrücken wie sehr mir Ihr beiderseitiges Glück und Gedeihen anliegt. Hab ich doch außer meinem Sohn so wenig Verwandtes und Angehöriges. Mag derselbe mir eine kurze Notiz geben, worauf dieses Quartal rechnen kann, so wird es mir eine Gefälligkeit seyn. Ersuchen Sie Ihre theuere Frau Mutter und Schwägerin, daß Sie mir manchmal einen kleinen Auftrag verzeihen, sowie meinem Sohne, der mich in meiner häuslichen und Geschäfts-Lage durchaus erleichtert.

Haben Sie ja die Güte mir daß Verzeichniß des neuen Rathes zu senden und käme irgend ein neuer Stadt- und Staats-Calender zu Stande, mir solchen zu überschicken. Sie haben so wenig Bezug zu uns, sonst würd ich den unsrigen sehr gerne senden.

[174] Es steht noch ein Kasten Mineralien, der von Coblenz gekommen ist, bey Ihnen, haben Sie die Güte solchen an Herrn Nikolaus Schmidt zu überantworten, der solche Besorgungen gefälligst und promptest zu übermachen die beste Gelegenheit hat.

Überhaupt lassen Sie uns ja künftig nicht so lange ohne gegenseitige Kenntniß, ja wenn ich schweige so mahnen Sie mich. Es liegen noch manche Dinge bey mir, bezüglich auf früheres Besprechen. Es soll mich sehr freuen wenn Sie das Stockende wieder in Fluß bringen, es wird meiner neuen Lebensweise sehr heilsam werden.

Mein zweytes Rhein- und Maynheft rückt heran, möchten Sie was für Frankfurth gewünscht ward, was geschehen und was zu hoffen ist mir nach der Weise mittheilen, in welcher wir uns verstehen, so hoffe ich schicklichen Gebrauch davon zu machen. Das Senckenberger Stift liegt mir besonders am Herzen, an diesem sieht man recht, daß wir keine Engländer sind, ob man uns gleich als Frankfurter auch nicht schelten soll.

Mögen Sie nach solchen ernsthaften Betrachtungen die theuere Mutter noch ersuchen, daß Sie mir noch einen derben Kasten mit Offenbacher Zwiebacken senden möge. Alles was Sie mir schicken wollen kann auf der fahrenden Post gehen, da ich postfrey bin. So kann auch jene obenbemerkte Kiste Mineralien, die nach der mir gemachten Anzeige nicht allzugroß [175] seyn soll, gleichfalls mit der fahrenden Post hieher gesendet werden.

Verzeihen Sie alle diese Unbequemlichkeiten und erlauben Sie daß ich zu einiger freundlichen Erwiderung ein Exemplar meiner Werke, wenn die zwanzig Bände beysammen sind, in's Haus stifte, da wir sonst aus Thüringen nicht leicht nach dem Rhein und Mayn etwas Erfreuliches zu senden vermögen.

Weimar d. 27. September 1816.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1816. An Christian Heinrich Schlosser. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8E4E-7