[29] 4/809.

An C. L. A. von Scholley

P. P.

Wie sehr wünscht ich dass Ew. Hochwohlgeb. schon auf mein erstes voriähriges Schreiben die Hindernisse angezeigt hätten die der Befriedigung des Herrn von Salis und der Auszahlung des Legates an mich nach Ihren Gedanken im Weege stehn, so würde wohl diese Sache gegenwärtig ein erwünschtes Ende erreicht haben. Erlauben Sie dass ich zu Bestimmung und Berichtigung der Begriffe hierin einige bekannte Umstände nochmals wiederhole.

Als mein seeliger Freund den Peter im Baumgarten seiner damals noch lebenden Mutter abnahm, war es sein Vorsaz und Versprechen dem Knaben eine gute Erziehung zu geben und ihn in den Stand zu sezen sein Brod zu verdienen und mit wohlgebrauchten Fähigkeiten sein Glük in der Welt zu machen. Er that ihn deswegen zuerst nach Marschlins und übergab ihn der Fürsorge des Herrn von Salis dem er eine iährliche Pension dafür zu zahlen versprach.

Als er darauf Europa verlies war es seine Sorge dass nach seinem Tode den er sich immer vermuthete das bei dem Knaben angefangene nicht verlohren gehn und er wieder in die weite Welt gestossen werden möge. Er suchte also den Herrn von Salis auch für die Zukunft in Sicherheit zu sezen, und bat seine[29] hinterbleibende Schwestern diesem Pflegevater des Knabens zwei tausend Thaler nach Abzug der ersten Pension auszuzahlen die auf dessen Erziehung verwendet werden sollten.

Die Schwestern meines seeligen Freundes waren grosmütig genug, den lezten Willen, der sie rechtlich nicht verband ohne Schwierigkeit anzuerkennen und Petern im Baumgarten das Legat zuzugestehen. Wäre dieser Knabe bei dem Herrn v. Salis in Marschlins geblieben so war nach der ausdrüklichen Intention des Verstorbenen diesem Manne zu Erleichterung der Erziehungslast als dem eigentlichen Vormunde und nicht etwa den noch lebenden Eltern gedachtes Legat, auszuzahlen, und dieser hatte, nicht aber die Eltern oder sonst iemand anders aller übrigen Ansprüche zu entsagen, und eine gültige Quittung auszustellen. Der Umstand ist in nichts verändert als dass ich nach verschiedenen Schiksalen diesen Knaben aufgenommen habe. Der Herr v. Salis begnügt sich also mit dem was der Knabe ihm schuldig geworden und weisst Ew. Hochwohlgeb. mit der Auszahlung des übrigen Legates wohlbedächtlich an mich.

Aus Liebe zu meinem seeligen Freunde der mir vor seiner Abreise diesen Knaben so oft und dringend empfohlen als wenn er hätte voraus ahnden können wie es dem Kinde nach seinem Tode ohnerachtet seiner zärtlichen Vorsorge gehen würde nahm ich ihn vor zwei Jahren zu mir und sorgte so viel mir die Umstände [30] erlaubten in meinem Hause selbst für ihn. Auf ausdrükliche Versicherung der Frau v. Lindau zu Woumnen Ew. Hochwohlgeb. selbst, dass das Legat baldigst an mich ausgezahlt werden sollte, wendete ich zunehmend mehr an ihn. Ich habe diese Zeit her ihn in allem erhalten, die nöthige Lehrmeisters bezahlt ihn etlichemal gekleidet und da er iezo in Ilmenau die Jägerei erlernt bin ich vierteliährig in dem Fall immer wachsende Rechnungen für ihn zu bezahlen.

Dies alles hab ich vorschussweise aus meinem Beutel gethan. Von den übrigen Freunden des seeligen Lindau, denen er den Knaben auch mit empfohlen hatte, die sich zu einer Zubusse willig erklärten, konnte ich nichts annehmen, weil ich es vor unschiklich hielt, dass der Liebling meines Freundes vor den er selbst gesorgt hatte von der Gnade anderer leben sollte. Wer ist also des Knaben Vormund wenn ichs nicht bin? Der Herr v. Salis erkennt mich als seinen Nachfolger und weisst die Auszahlung des Legats an mich. Ich habe auf alle Weise den Willen meines seeligen Freundes erfüllt und es ist nicht abzusehen wie dessen entfernte Mutter nur irgend in dieses Geschäfte mit gezogen werden könnte.

Indessen verarg' ich Ew. Hochwohlgeb. nicht dass Sie so sicher als möglich dieses Geschäft zu beendigen wünschen. Deswegen hab ich von meiner Seite einen hiesigen treflichen Rechtsgelehrten um seine Meinung gefragt welche Sie aus beigehendem Promemoria einsehen [31] werden. Ich bitte ein gleiches auch von Ihrer Seite zu thun und ich zweifle ob iemand anders aussprechen wird, als dass an mich die quäst. Gelder auszuzahlen seien und eine von mir ausgestellte Quittung darüber zur Sicherheit Ew. Hochwohlgeb. und der Schwestern des Erblassers völlig hinreiche.

Der lezte in dem Promemoria gethane Vorschlag, dass ich mich oder einen andern bei hiesiger fürstlicher Regierung als Vormund solle bestellen lassen, ist mir zwar unangenehm, indem es sich nicht ganz ziemen will, dass ich wegen der kleinen auszugebenden Summen iährlich genöthigt seie diesem Collegio Rechnung abzulegen doch bin ich auch bereit wenn es erfordert wird auch diesen Weeg einzuschlagen so sehr der bisherige Treu und Glaube womit ich auf die Bitte meines seeligen Freunds und auf Ew. Hochwohlgeb. erste unbestimmte Versicherung mich diesem Geschäft unterzogen mir ein uneingeschränktes Zutrauen für die Zukunft erweken sollten. Ich habe seit den ersten Monaten was ich für diesen Knaben baar ausgelegt aufgezeichnet und werde damit fortfahren, ich mag nun solche Rechnung iährlich einem Gerichte, oder dem Knaben selbst in reifern Jahren vorzulegen haben.

Es falle Ew. Hochwohlgeb. Entschliessung aus wohin sie wolle so bitte ich um baldigste Antwort damit nicht der Knabe wider des seeligen Lindaus und seiner edlen Schwestern Willen und meinen ernstlichen Vorsaz in seinen besten Jahren behindert werde. Denn [32] ob ich ihm gleich wie bisher am nothwendigen nichts werde fehlen lassen so bin ich doch genöthigt mit manchem nüzlichen zurükzuhalten.

Mit der völligen Ueberzeugung dass meine gegenwärtige Erklärung iedes Hindernis aus dem Wege räumen wird nenne ich mich mit vollkommenster Hochachtung p.

Ew. Hochwohlgeb.

Weimar d. 26. Apr. 1779.

ganz gehorsamster Diener

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1779. An C. L. A. von Scholley. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8E6E-0