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An August von Goethe

Copia Schreiben an die Mutter nach Carlsb. Wiesb. d. 17. Jun. 1815.

Dein Brief war nur zehn Tage unterwegs, deshalb schreibe ich sogleich wieder. Meinen umständlichen Brief, der den achten von hier abging, wirst du erhalten haben. Da es im Carlsbad denn doch einmal auf's Steigen angesehen ist, so habt ihr wohlgethan in die Höhe zu ziehn. Die Aussicht ist immer höchst und auch bey Regenwetter tröstlich.

Ich lebe hier ganz einfach fort, man kann auch nicht viel Sprünge machen, denn das Bad ist auf die Länge doch angreifend und die Übel auf, die man gerne los seyn möchte. Die Ärzte verweisen uns zur Geduld und Ordnung. Übrigens ist es hier so stille wie im tiefsten Frieden. Sähe ich Sonntags in Biebrich nicht Östeicher und Preußen; so wüßte ich gar nicht daß Krieg bevorsteht und glaubte den Zeitungen kaum, deren mir täglich eine große Menge mitgetheilt wird.

In Biebrich habe ich den Erzherzog Carl gesprochen, der sich sehr freundlich und gnädig erwies. Sonst ist niemand Bekanntes unter den Curgästen.

Mein Speisewirth nährt mich zwar nicht köstlich, dabey ist aber angenehm daß sie einem zubereiten was man ihnen schickt. Brentanos haben mich von Frankfurt mit Artischocken versehen, heute sind große Krebse gekauft worden, von welchen das Stück etwas über 3 Kreuzer kostet. An Confect und getrockneten Früchten zum Nachtisch, nicht weniger an Chocolade lassen es die Freunde auch nicht fehlen. Rothen und weißen Wein ließen sie mir gleichfalls zurück. Ferner habe ich einen Petit-Burgunder verschrieben, die Bouteille einen leichten Gulden, hier auf der Stelle, ein sehr angenehmer und trinkbaren Wein. Auf einem nahen Lustorte, der Geisberg genannt, findet sich treffliches Pökelfleisch, von welchem mir der freundliche Wirth manchmal ein Stück herein sendet. Denkt Ihr nun noch gutes Brot und Brezeln darzu, so seht Ihr ein daß mir von dieser Seite nichts abgeht.

August hat mir den Verlauf jener Feyerlichkeit umständlich beschrieben, es war alles recht schicklich und ordentlich, später habe ich noch ein Gedicht gesandt und dadurch meine Theilnahme aus der Ferne bewiesen.

Von Landsleuten hat mich Riese schon besucht und ein alter achtzigjähriger Forstmann. Sodann kann ich vermelden daß der Magnetismus in Frankfurt und überhaupt in dieser ganzen Gegend besonders unter jungen Ärzten im Schwange ist.

Um die Seite noch anzufüllen will ich noch allerley, wie es mir einfällt, hinzufügen. Abermals haben sich schöne Mineralien bey mir eingefunden, von Zeit zu Zeit wird ein Spaziergang in die Steinbrüche und auf die Bauplätze unternommen, wo allerley Merkwürdiges zusammengepocht wird. Für Jena wird auch ein interessanter Kasten zusammengepackt. Herr Oberbergrath Cramer, als Gevatter von Lenz, wird sich dabey hervor thun.

Gebaut wird hier sehr viel, die Anlagen dazu sind höchst verständig und lobenswürdig, die Linien, wornach gebaut werden muß, wohl überlegt. Es giebt Straßen die der größten Stadt Ehre machen würden. Alles greift eins in's andere, was aus den Kellern ausgegraben wird schafft man in Vertiefungen, die ein kleiner Bach verursachte und durchfloß, dadurch entstehen sehr schöne Gärten. Aufgeregt zu diesem Bauen werden die Einwohner durch die günstigsten Umstände. Die Plätze erhalten sie von der Herrschaft, ein ansehnliches verhältnißmäßiges Baudouceur dazu, dagegen sie vorschriftmäßig bauen müssen. Ein unerschöpflicher Steinbruch von kalkartigem Thonschiefer in der Nähe liefert das Material.

Randglossen. ad modum Werneri. Dein Brief, m. l. Sohn ist mir am gleichen Tage geworden. Zu dem glücklich gelungenen Feste gratulire ich. Mercke dir auch diese Formen, dergl. Dinge kommen immer wieder, bringen dasselbe Vergnügen und dieselben Unannehmlichkeiten.

Sollten Fälle vorkommen wo - !! – anzuwenden wäre, laß dich nichts irren. Gedencke des Polonius.

Carl macht seine Sachen sehr ordentlich, seine Schreibung hilft mir doch über das Nothdürftige.

Nun zum Schluß das Maas der Krebse wie ich sie heute gespeist in schwarzrothen Schaalen, eben im Begriff sie abzuwerfen. Voll und schmackhaft.


Weimarisch Maas über 7 Zoll. Vale.

G. [20]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1815. An August von Goethe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8E74-F