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An den Großherzog Carl August

Da ich in meinem Vorigen gesagt habe: daß keine Kunst mehr folgerecht sey als die des Bildhauers so ist es hier nun Angelegenheit zu zeigen, wie wir einen Mann der gegenwärtig in Rom, in Canova's Atelier, gewiß an seine rechte Stelle, von dem Ober-Meister angewiesen nicht wohl zu uns berufen und nur einigermaßen zu seinem Behagen beschäftigen und belohnen können. Eine Büste nach der Natur in Thon, zu bilden und in Gyps auszugießen ist ein Nothbehelf des Plastikers und selbst dergleichen werden weniger verlangt als vor Jahren.

Wer begehrt, wer bestellt eine Marmorbüste? und geschähe es, so würde der Künstler immer in Verlegenheit seyn, denn wie schwer es hält einen Marmorblock bis nach Weimar zu bringen, haben wir schon erfahren, und ob alsdann dieser einzelne Block nicht irgend einen Fehler, Sprung oder Flecken habe, kann niemand als unter der Arbeit erfahren. Ein Künstler wie Kaufmann steht in Canova's Werkstätte gewiß auf seinem Platz, ihm wird durch Handwerker und Unterkünstler entgegen gearbeitet, wie er das ihm Aufgetragene des Obermeisters letzter Hand entgegen zu führen strebt. Er gewinnt seinen täglichen, freylich mäßigen, Unterhalt, aber mit Behagen. Wie soll es ihm hier zu Muthe werden? Da er kein Material, [30] keine Vorarbeiter und keine Leitung des Meisters, weder hinter sich noch vor sich sieht.

Nun frage man von unserer Seite, weshalb wir ihn berufen, was wir von ihm verlangen? so wüßte ich darauf keine Antwort zu geben; denn die Anlage, die Einrichtung und Gründung einer Bildhauer-Werkstatt, blos um einiger Büsten willen, zu verfügen, möchte doch wohl allzusehr gewagt seyn. Ein Künstler, der zwecklos angestellt wird, muß sich Zwecke suchen so und erfinden und da ist der Bildhauer vielleicht gefährlicher als ein anderer.

Bey denen Bauten die wir vorhaben sind noch gar viele Mittelkünstler nöthig bis es eines Bildhauers bedarf. Quadratoren, Lustristen, Stuckatoren Staffiermahler u.d.g. werden für stattliche Privathäuser die wünschenswerthesten seyn; Bildschnitzer, Bronzirer, Vergulder, alle dergleichen Menschen wären nach und nach wie die Gebäude wirklich wachsen mit mäßigen Bedingungen heranzuziehen, wo es zu thun giebt, gewinnt der Handwerker und Künstler ohnehin.

Man denke sich nun aber Weimar durch neue Baue nach Hoffnung und über Hoffnung belebt, so wird an den Bildhauer nicht leicht die Reihe kommen gerufen zu werden. Ist er einmal da, so muß er sich aus Noth und Gefälligkeit herunterwürdigen und das ist keine Existenz die ich ihm anbieten möchte.

Bedenkt man nun auch die schweren Reisekosten und so manche andere Zufälligkeiten, so möchte man[31] wohl die Anstellung eines solche Mannes auf spätere Zeit verschieben.

Jena d. 27. May 1816.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1816. An den Großherzog Carl August. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8F06-0