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An Friedrich Constantin von Stein

[Concept.]

Die glücklich angelangten Exemplare des wunderlich gebildeten Quarzgesteins haben mir sehr viel Freude gemacht; lassen Sie aber nicht nach, bis wir eine Abweichung ebendessen finden, wo die spindelförmigen Körper sich allmählig verlieren und ein gleichförmigeres Sandgestein erscheint. Sie werden zu weiterer Forschung gewiß bewogen, wenn ich Ihnen sage, daß es alsdann dem brasilianischen Itakolumit sehr ähnlich wird, einem Gestein, das außer dem südlichen Amerika sich sonst nicht finden soll. (Siehe Geognostisches Gemälde von Brasilien durch Herrn v. Eschwege, Weimar 1822, Seite 13 u.f.) Ihre mir übersendeten Stücke sehen auf den natürlichen Ablösung ihm schon völlig gleich.

In dieser Gebirgsart kommt aber der biegsame Sandstein vor (hört!), und es wäre merkwürdig, wenn sich dergleichen auch in Schlesien fände. (Hört!)

Geben Sie davon der vaterländischen Gesellschaft Nachricht und entschuldigen mich zugleich, daß ich gegen [64] Brief und Sendung mich nicht mittheilender erwiesen. Wir haben gar zu schlimme Tage erlebt, die nicht allein jede Thätigkeit lähmten, sondern die folgenden guten Stunden mit versäumten Pflichten und Geschäften belasteten.

Was bey uns im Jahre 1822 für Meteorologie geschehen, wird sobald das Heft beysammen, sogleich in einigen Exemplaren nach Breslau gesendet; auch die Ausführung dieser Arbeit war durch den frühzeitigen Tod des guten Doctor Posselt unterbrochen und ließ sich nur nach und nach wieder einleiten. Empfehlen Sie mich zugleich Herrn Brandes auf das angelegentlichste; möge er bey dem, was in diesem Fache von uns ausgeht, nicht ungern die Anlässe finden, die wir ihm aufrichtig zuschreiben.

Herrn Büsching danken Sie schönstens in meinem Namen für das übersendete Schloß Marienburg. Könnte ich erfahren, was zur Restauration desselben bisher geschehen, so würde ich mit Vergnügen Gebrauch davon machen; ich habe schon viel, von Reinigung der Keller, Säle, Remder, von Entfernung des falsch gebauten, von bunten Glasfenstern, von der Restauration einer kolossalen Mutter Gottes, welche mit Mosaik fourniert seyn soll, von einem zugleich mit dem Herrn Oberpräsidenten [von Schön] höchst thätigen Ortsgeistlichen u.s.w. gehört; das Nähere würde mir Freude machen.

Auch haben Sie die Güte meinen schuldigen Dank[65] der Liedertafel abzustatten. Gelingt es mir irgend einen fröhlichen Gesang zu rechter Stunde darzubieten, so ist ein Wunsch erfüllt, den ich im Augenblick hegte, als die muntere und freundliche Sendung zu mir herüber kam.

Nun aber soll Breslau und Ihnen besonders Glück auf! zugerufen seyn, daß Held Blüchner dem Gemeinwesen zunächst vorleuchten wird; er ist hör ich, in Berlin aufgestellt und wird seine Reise wohl bald antreten.

Hat der merkwürdige Granit-Kubus indessen einige Vorschritte gethan?

Erfreuen Sie sich, daß Sie Ihren Blinden so schöne Surrogate des edelsten Sinnes zu verschaffen wissen, und gedenken dagegen, als Theater-Mitdirector, an die Beharrlichkeit der Danaiden, die sich nicht abschrecken ließen und, in Gesellschaft mit Denus, immer gleich beeifert fortfuhren, das Unmögliche leisten zu wollen.

Diese fruchtlose Beharrlichkeit erinnert mich abermals an eine glücklichere; diese bat uns denn doch nach soviel Jahren zur Entdeckung des seltsamen und einzig merkwürdigen Sandgesteins verholfen. Sollten mir nicht auch wenn wir im Bestreben verharren, von den Blitzröhren zu Massel frische Exemplare entdecken? die sonst so häufig waren, daß [man] sie zu Staub gerieben und zu Küchlein geknetet als ein köstliches Heilmittel in den Apotheken anpries. (Silesia[66] subterranea tab. I fig. 15.) Nach Pastor Hermanns Maßlographie sollen sie armstark gefunden worden seyn.

Wie sieht es mit den Pflanzenabdrücken in der Steinkohlen-Decke weiter aus? Wir haben des Herrn Grafen Sternberg 3. Heft nächstens zu erwarten. Was hat Herr Rothe die Zeit über gefunden und was wird er mittheilen? Grüßen Sie ihn zum schönsten. Vielleicht läßt er auch wieder einmal hierher etwas gelangen, denn ich bin auf dem Wege, auch diesem Theil der Naturlehre mich zu nähern und das Entdeckte kurz gefaßt in meine Hefte aufzunehmen.

Die Bewußten Radierungen sind auf die fahrende Post gegeben, und ich habe einen Schein dagegen genommen, damit sie dießmal sicher zu Ihnen gelangen. Ich bitte um baldige Nachricht des Angekommenen, denn ich denke in vierzehn Tagen nach Marienbad zu gehen.

Schließlich wiederhole meine Bitte um mehrere Exemplare des merkwürdigen Sandsteins, besonders um solche, wo der spindelförmigen Körper weniger sind, und vielleicht Stücke ganz ohne dieselben, welche gewiß vorkommen. Könnte man dem geistlichen Herrn dagegen etwas Angenehmes erzeigen, da er doch wohl irgend eine Liebhaberey hat, so geben Sie mir Kenntniß davon, und es erfolgt sogleich.

Weimar den 11. Juni 1823.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1823. An Friedrich Constantin von Stein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8F90-5