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An Christoph Ludwig Friedrich Schulz

1) Angekommen ist die liebenswürdige Sendung! Man kann freylich von dem Blatte nicht Vortheilhaftes genug sagen; tausend Dank daß Sie mir solches freundlich überlassen wollen. Die Durchzeichnung des Holzschnittes Nr. 7 ist in der Arbeit und alles soll nach und nach einzeln anmarschirt kommen.

2) Sie sagen, mein Allertheuerster, mit wenigen Worten was ich in Betracht zog, warum Schubarth abzumahnen sey; so lange das Allgemeine schwankt und schwebt, hat der Einzelne alle Ursache, ruhig zu seyn und den Ausgang zu erwarten. Auch ist ein [224] immerfest steter, affirmativer Gang durchaus vortheilhaft; die Resultate davon überleben die Zeit, da das Verneinende sich selbst aufhebt, indem es andere zu vernichten trachtet.

Hier ein paar gereimte Worte:


Es mag sich Feindliches eräugnen,
Du bleibe ruhig, bleibe stumm!
Und wenn sie dir die Bewegung läugnen,
Geh ihnen von der Nase herum.

Hiedurch also wieder einige Schritte in's Leben, das Fernere soll bald folgen.

3) Purkinje erwart ich mit Freuden also in diesen Tagen.

4) Herrn Weiß bin ich für den Wink dankbar und habe ihn zu benutzen gewußt.

5) Für Kunst und Alterthum bearbeite nun den historischen Theil zu Mantegna und sende gelegentlich den Entwurf, Theilnahme und Belehrung erbittend. Es ist um die Geschichte ein gar wunderlich Ding, das gewisseste aller Bemühungen deshalb ist der Zweifel. Subjective Wahrheit, d. h. nur Wahrscheinlichkeit, gilt sogar von gestrigen Vorfällen, wie ich denn die neusten jenaischen Händel soviel berichtet werde, daß ich davon keineswegs unterrichtet bin.

Wenn Sie aber meinem Gedanken: den Grund der Meteorologie als tellurisch anzusprechen, so herrlichen Beyfall ertheilen, ist er mir vom größten [225] Werthe. Ermessen Sie es daraus, daß ich diese Vorstellungsart schon mehrere Jahre mit mir herumtrage und sie auch jetzo nur mit Scheu und gleichsam zufällig ausgesprochen habe. Da Sie sich den Gedanken zu eigen gemacht, werden Sie die Folgen leicht entwickeln so wie die Fragen, wozu Anlaß gegeben ist. Wenn man, wie ich fordere, alles Kosmische, Solarische, Planetarische, auch das nächste Lunarische, einstweilen ablehnt, auch die sämmtlichen atmosphärischen Erscheinungen als Symptome behandelt und alles bey der jung-alten Mutter selbst sucht, so muß sich gar manches hervorthun; aber auch hier ist nicht zu hoffen, daß man Mit- und Ausarbeiter finde. Kommt Ihnen jedoch, mein Theuerster, etwas auf diesem Wege Fortschreitendes in den Sinn, so theilen Sie es mit.

Von Ihrem frühern geographisch-geologischen Hefte war in der Bibliothek des Industriecomptoirs ein Exemplar geblieben, v. Froriep borgte mir solches und ich fing an mich damit zu beschäftigen; die jenaischen Druckerpressen aber sind so hungrig, daß man wie ein Garloch immer sieden, braten, austheilen und hergeben muß, um sie zu befriedigen. Hier indessen die neusten Schüffeln und Schüffelchen.

Können Sie zu Beförderung des Wunsches, Seite 102 und folgende, etwas beytragen, so thun Sie es ja; es ist eine Gelegenheit, affirmativ für uns und die mit uns stehn zu wirken. Auch der Zeitung selbst kann es Vortheil bringen, wenn ihre Theaterartikel [226] Zutrauen gewinnen; schon sind hiesige Freunde geneigt, sie künftig statt der Vossischen zu halten. Wenn guter Wille sich antwortet, so kommt das Hefte zum Entstehen.

In den letzten Bogen Kunst und Alterthum werden Sie von einer Anstalt vernehmen, wie ich meinen Nachlaß zu sicher trachte; auch Ihr theilnehmendes Verlangen wird dadurch erfüllt.

Manzoni, dessen Ode Napoleons Tod Sie freuen wird, hat eine neue Tragödie Adelchi aus der longobardischen Geschichte geliefert und gerade des Zeitpunctes, wo Carl der Große bey dem Passe Chiusa gehindert wird nach Italien zu bringen. Das Stück ist ganz im Sinne und Geist des Grafen Carmagnola, nur noch reicher an Charakteren und Motiven. Es wird mir ein angenehmes Geschäft seyn, auch diese Arbeit zu entwickeln; ach! warum kann man denn nicht einem deutschen Zeitgenossen den gleichen Liebesdienst erweisen.

für ewig

Weimar den 9. December 1822.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1822. An Christoph Ludwig Friedrich Schulz. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8FBF-0