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An Adele Schopenhauer

Sie erhalten, meine theure liebe Freundin, mit dem Postwagen ein Kästchen worin Sie finden: zwey Zeichnungen für Madame Mertens, welcher mich schönstes zu empfehlen bitte. Ein Kästchen mit Medaillen für den freundlichen Geber; einige Muster von chinesischen Farben. Sodann auch die Ansicht meines Hauses und Gartens, obgleich sehr prosaisch und unter der Wirklichkeit gerathen.

Noch einige einzelne Medaillen leg ich bey zu gefälliger Austheilung an Wohlwollende. Herr v. Schlegel hat mir von einem anmuthigen geselligen Feste zu Godesberg ein freundliches poetisches Zeugniß übersendet; vielleicht ist es Ihnen auch schon zu Händen gekommen.

Am 28. haben Sie uns, meine Theuerste, wirklich gefehlt, ich wollte und wünschte nach meiner alten Art diesen Tag in Stillem vorüberfließen [zu] lassen, das ging aber weniger als je, da ich denn alle Ursache hatte mich mancher anmuthigen freundlichen Gesichter und mancher schönen Gaben und Geschenke zu erfreuen.

Noch etwas sehr Wunderbares ist mir in diesen Tagen zu Haus und Hof gekommen. Ein junger, kräftiger, französischer Bildhauer kommt an und wünscht meine Büste zu machen; er scheint so wacker, ist so wohl empfohlen, geistreich und überredend daß ich's[77] ihm nicht abschlagen kann. Ich sehe eine ungeheure Masse Thon zusammengebracht und aufgethürmt und, zu meiner nicht geringen Verwunderung, mein Bildniß in colossalen Verhältnissen heraussteigen. Glücklicherweise gelingt es ihm nach und nach dem Werke natürliches Ansehen zu geben, so daß jedermann damit zufrieden ist. Ich werde Ottilien ersuchen das Nähere zu melden und hoffe sie wird diesen Auftrag gern übernehmen, wie sie mir auch so eben verspricht.

In dem Kistchen war noch Platz und so hab ich noch einiges hinzugelegt irgend antheilnehmende Freunde zu verabreichen; ein paar Witterungshefte finden wohl irgend einen beobachtungs- und betrachtungslustigen Freund. Hier nun muß ich schließen, damit der Brief abgehe; morgen Sonntags den 6. d. folgt das Kästchen.

Nun aber nach Allem wie vor Allem empfehlen Sie mich Ihrer theuren Frau Mutter und sagen mir ja bald daß sie sich jetzt in ihrer Wohnung behaglich findet; es ist dieß um so wichtiger als sie wahrscheinlich, so wie uns, das Wetter unter Dach treibt.

Lassen Sie mir bald von sich hören, senden Sie mir einiges Erfreuliche und Liebenswürdige; sagen Sie mir was Sie vielleicht wünschen, denn ich möchte gern von Zeit zu Zeit eine gleiche Sendung vorbereiten.

Tausendfache Grüße in die Nachbarschaft, an Herrn Boisserée, an Frau [Mertens] und in Bonn an alle [78] Wohlwollende. Sagen Sie mir auch wie Sie sich auf den Winter einzurichten vorhaben.

Mit den treusten Wünschen

anhänglichst

Weimar den 5. September 1829.

J. W. v. Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1829. An Adele Schopenhauer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8FC3-4