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An August Friedrich Breithaupt

Wohlgeborner
hochgeehrtester Herr!

Zwar konnte ich mir, nach sicherer Kenntniß des Wohlwollens meines vieljährigen Freundes, des Herrn Ober-Berghauptmanns v. Herder, gar wohl versprechen, daß er auf meine an ihn unter dem 30. Juli vorigen Jahres gerichtete Bitte reflectiren und seiner Zeit die geäußerten Wünsche freundlich erfüllen würde, ich darf jedoch gestehen, daß Ew. Wohlgeboren angenehmes Schreiben und die mit demselben begleitete wichtige Sendung mich überrascht und mir ein ganz besonderes Vergnügen gewährt haben.

Diese gewiß mit aller wissenschaftlichen Umsicht besorgte Sammlung ist, nach Absicht Ihro Kaiserlichen Hoheit der Frau Erbgroßherzogin, für eine russische Academie bestimmt, wobey man denn sich vor Kennern Ehre zu machen wünschte, welches nun zuverlässig der Fall seyn wird.

Indem ich nun Ew. Wohlgeboren für die dabey übernommene Mühe den aufrichtigsten Dank abstatte, bedaure ich nur, daß man nicht unternehmen kann, diesen kostbaren Schatz hier auszupacken und sich vor Augen zu stellen, weil man schwerlich hoffen darf, solchen wieder so sicher einzupacken, als es in Freyberg von einer öffentlichen Anstalt geschehen.

[191] Zu einiger Entschädigung füge jedoch meinem verpflichteten Dank den Wunsch hinzu: Ew. Wohlgeboren mögen mir die Abschrift des Catalogs zukommen lassen, damit ich das Bekannte recapituliren und das Unbekannte mir vielleicht einzeln aus der dortigen Anstalt gegen die Gebühr erbitten dürfte. Besonders aber wäre ich auf die Reihe der Gangarten begierig, welche in größeren Exemplaren der Sammlung beygefügt worden. Auch in diesem Capitel habe ich, unter Anleitung unseres verewigten Lehrers, mich immerfort bemüht und manches zusammengebracht, was von den Gängen, deren Inhalt, Richtung, Durchschneiden und Verrücken einen anschaulichen Begriff geben könnte, und würde mir unendlich angenehm seyn, wenn Sie die Gefälligkeit hätten, mir eine solche gelegentlich abermals zusammenzustellen und dadurch meinem Blick auf die Natur, den ich freylich nur von Zeit zu Zeit in ihre herrlichen Reiche hinwenden kann, neu zu beleben und zu schärfen.

Mein Sohn erfreute sich sehr Ihres geneigten Andenkens. Gar wohl erinnerte er sich jener bey dem guten Lenz, der sich immer noch rüstig hält, zugebrachten lehrreichen Stunden. Ew. Wohlgeboren haben eine herrliche Wissenschaft zum Zweck Ihres Lebens machen können; er hat wenigstens die entschiedenste Neigung dafür behalten und sucht sich meine diesem Fach gewidmete Sammlungen durch genaue Einsicht anzueignen, indem er als Custode dieselben gut in [192] Ordnung hält. Wie sehr wünschten wir beide uns in Freyberg einmal wieder an der Quelle recht zu erquicken.

Ich wiederhole meine angelegentlichsten Empfehlungen an Herrn an Ober-Berghauptmann v. Herder, nicht weniger meine dankbare Anerkennung Ihrer geneigtesten Besorgungen. Haben Sie die Güte meiner obgemeldeten Wünsche gelegentlich zu gedenken.

So eben versichere ich mich durch die von Denenselben unterzeichnete Quittung, daß unsere dießmalige Schuld abgetragen ist; auch in der Folge würde ich gleicherweise die Gebühr zu erstatten nicht verfehlen.

In vorzüglichster Hochachtung

Ew. Wohlgeboren

ergebenster Diener

Weimar den 24. May 1827.

J. W. v. Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1827. An August Friedrich Breithaupt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9095-5