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An Friedrich Wilhelm Heinrich von Trebra

[Concept.]

[16. Februar.]

Die so unerwartet von den werthen Freunden bey mir abgestattete Visite erwiedre ich hiermit zwar keineswegs auf transparentem, doch wenigstens auf ziemlich weißen Grunde. Wenn ich aufrichtig seyn soll, so wäre ich lieber völlig schwarz auf weiß vor den Freunden erschienen; aber wie es scheint soll ich die Farben, die mir schon so viele Noth gemacht, nicht los werden: denn der Silhouetteur wollte mich ohne bunte Läppchen und Bändchen nicht entlassen. So komm ich denn nun halb Schatten halb Wirklichkeit, aber gewiß treu gesinnt und von Herzen dankbar.

Das schöne Glas dergleichen ist mir wirklich eins wünsche, hat mich, wie ich gern gestehe, in tiefes Nachdenken versetzt: denn entweder der Besteller, oder der Verfertiger haben der Farbenlehre, es sey nun die meinige oder nicht, große Aufmerksamkeit gegönnt, indem nicht nur Licht und Finsterniß, sondern auch die Trübe, daneben auch der ganze Farbenschein, auf eine sehr künstliche und bedeutende Weise vorgestellt ist. Selbst an Mücken fehlt es nicht, und der ganz schwarze Fliegengott im trüben Felde, umgeben vom farbigen Ewigkeitssymbol, scheint hier auf das eingekerkerte böse Prinzip zu deuten, worauf wir in so viel ahndungsvollen Schriften der neuern Zeit hingewiesen [35] werden. Genug ich bin überzeugt, daß ein Eingeweihter, wenn er, mit diesem Kelch in der Hand, die Rednerbühne bestieg, die größten Geheimnisse der Natur seinen Zuhörern daran anschaulich entwickeln könnte. So viel sey nur gesagt, zum Beweis daß ich das Andenken und Wohlwollen meiner Freude zu verdienen glaube. Möge gegenwärtiges willkommen seyn und uns in diesem Jahre ein freudiges Wiedersehen nicht fehlen.

Glück auf!

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1811. An Friedrich Wilhelm Heinrich von Trebra. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-911C-2