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An Carl Friedrich Zelter

Weder den Schluß von Kunst und Alterthum, noch einige Anzeigen meiner Werke kann ich heute senden. Da ich aber weiß, daß du ohnehin gern einzeln liesest, so sende vorläufig den 2. Theil der Ilias, wo du wohl eine und die andere Rhapsodie dir zueignen wirst.

Für Herrn Streckfuß lege gleichfalls ein Buch bey mit einigen Worten in Reimen und Prosa. Möge er das zu meinem Andenken aufbewahren. Manzoni ist ein Dichter, der verdient, daß man ihn studire. Wenn Jahre dahin sind, wird er in der Literatur einen gar schönen Platz einnehmen.

Kaum erwehre ich mich gegen vielfältige Anlässe die mich abziehen wollen von den notwendigsten Schritten.

Zu den Fragmenten des Phaethon hat sich wieder eine gar hübsch erläuternde und eingreifende Stelle[120] gefunden. Wer kann wissen, was sich alles an einen Lebenspunct anschließt.

Eure Nachtigall flattert noch immer umher; sie ist, sagt man, an die See gezogen und wird erst Ende des Monats bey uns durchkommen, da wir denn hoffen dürfen sie gleichfalls zu bewundern.

Ein wunderliches Ereigniß muß ich auch noch melden: Ein junger Porzellanmahler aus Braunschweig hatte mir durch Vorzeigen von seinen Arbeiten soviel Vertrauen und Neigung eingeflößt, daß ich seinen dringenden Wünschen nachgab und ihm mehrere Stunden gewährte. Das Bild ist zu aller Menschen Zufriedenheit wohl gerathen. Wenn es glücklich durch den Brand durchkommt, so wird es, sowohl um sein selbst willen als der schönen Zierrathen, zu Hause ihm eine gute Empfehlung seyn. Er heißt Ludwig Sebbers und kam reisend hier durch.


Sibillinisch mit meinem Gesicht
Soll ich im Alter prahlen!
Jemehr es ihm an Fülle gebricht
Desto öfter wollen sie's mahlen!

So habe ich billigermaßen über diese Bemühungen gescherzt; man muß es eben geschehen lassen.

Zugleich vermelde, daß deine Rauchische Büste immer mehr zu Ehren kommt. Lassen sich in Marmor die Erhöhungen der Stirn, ohne die Form allzusehr zu unterbrechen, als in die Höhe gezogene Haut [121] darstellen, da sie jetzt als Knochen erscheinen, so möchte das Ganze trefflich zu nennen seyn. Durch das immerwährende Brillentragen freylich haben sich die Hautfalten über den Augen wundersam ausgezeichnet.

immerfort

Weimar den 12. August 1826.

Goethe.


[Beilage.]

Als ich vor einigen Tagen Herrn Streckfußens Übersetzung des Dante wieder zur Hand nahm, bewunderte ich die Leichtigkeit, mit der sie sich in dem bedingten Sylbenmaaß bewegte. Und als ich sie mit dem Original verglich und einige Stellen mir nach meiner Weise deutlicher und gelenker machen wollte, fand ich gar bald, daß schon genug gethan sey und niemand mit Nutzen an dieser Arbeit mäkeln würde. Inzwischen entstand das kleine Gedicht, das ich in beykommendes Buch einschrieb.

Das Trauerspiel Adelchi möge Herr Streckfuß zu meinem Andenken bewahren; kennt er es noch nicht so wird es ihm Freude machen; reizt es ihn zur Übersetzung, so wird er dem deutschen Jambus einen gleichen Dienst leisten wie dem Trimeter, wenn er dem italiänischen Vortrag sich gleichfalls anschmiegen wollte, welches noch eher angeht, da ihn der Reim nicht hindert. Wie ich darüber denke, zeigt sich deutlich aus dem Monolog des Swarto und wird auch ohnedieß einem so einsichtigen Manne alsobald [122] entgegen kommen. Die ganze Tragödie läßt sich in Recitativ auflösen. Auf deine Composition bin ich höchst verlangend.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1826. An Carl Friedrich Zelter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9146-2