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An Franz Kirms

[Concept.]

Ob ich gleich fest entschlossen bin mir keinen Schauspieler vom Publiko weder auf noch ab votiren zu lassen, weil ich dessen Grillen, Unbestand und Ungenügsamkeit nur allzusehr kenne; so treten doch gegenwärtig manche Betrachtungen ein, die uns selbst veranlassen dürften Herrn Cordemann zu engagiren.[184] Ew. Wohlgeb. haben solche in Ihrem Briefe recht wohl herausgesetzt und ich bin geneigt Ihre Vorschläge einzugehen. Schließen Sie, nach vorgängiger Communication mit Herrn v. Luck, einen Contrackt auf ein und ein halb Jahr und sehen daß er überhaupt mit 8 Thlr. zufrieden sey.

Vor allen Dingen aber fragen Sie bey Durchl. der Herzogin mit meiner unterthänigsten Empfehlung nochmals an: ob dieses Engagement ihrem Willen und ihren Wünschen gemäß sey.

Im Stillen kann ich Ew. Wohlgeb. nicht leugnen daß mir weder Cordemanns Füße noch Arme recht gefallen wollen, mit jenen knickt er, mit diesen schwebt er, doch hat er was interessantes im Blick und scheint von einem gewissen Feuer der Leidenschaft belebt, worauf so viel bey einem Schauspieler ankommt, und nach Ihrer Versichrung macht ja sein Ganzes keinen unangenehmen Eindruck.

Nur eines muß ich gleichfalls im Vertrauen hinzusetzen: daß ich mich durch dieses Engagement noch nicht verbinde Haiden fortzuschicken. Ob ihn das Publikum gerade mag das kann uns nicht rühren, die Frage ist: ob er in gewissen Rollen brauchbar sey, die, wenn sie gleich keine Hauptrollen sind, doch auch besetzt werden müssen.

Überhaupt ist es eine alte Erfahrung daß das Publikum bey jeder Gesellschaft einen Sündenbock haben muß, an dem es seine Piken und Unarten auslassen[185] kann, und wenn sich gerade keiner bey der Gesellschaft fände, so müßte man einen expreß zu dieser angenehmen Funcktion engagiren.

Es versteht sich von selbst daß Cordemann sich verbindet, alle ihm von der Direction zugetheilte Rollen zu übernehmen, und nicht etwa an irgend ein Fach Ansprüche macht. Wir nehmen ihn als einen Suppleanten auf und in unserer Lage wird sein hauptsächlichstes Verdienst seyn, wenn er in vorkommenden Fällen ausfallende Lücken supplirt, und uns mit seinem Talent, auf eine willige und gefällige Weise, aufhilft.

Ich wünsche daß Sie sich recht wohl befinden mögen und danke für die fortdauernde Aufmerksamkeit und Sorgfalt, womit Sie unser gemeinsames Geschäft zu beleben wissen.

Jena am 18. Juni 1798.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1798. An Franz Kirms. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-915A-5