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An den Herzog Carl August
[Stäfa, 17. October.]
Kaum sind wir aus der unglaublichen Ruhe, in welcher die kleinen Cantone hinter ihren Felsen versenckt liegen, zurückgekehrt, als uns vom Rhein und aus Italien her das Kriegsgeschrey nach und entgegenschallt. [332] Biß dieser Brief Sie erreicht wird manches entschieden seyn; ich spreche nur ein Wort vom gegenwärtig nächsten. Die Franzosen haben an Bern einen Botschafter geschickt, mit dem Begehren man solle den Englischen Gesandten sogleich aus dem Lande weisen. Sie geben zur Ursache an: »Man sehe nicht ein was er gegenwärtig in der Schweiz zu thun habe, als der Republick innere und äussere Feinde zu machen und aufzureizen.« Die Berner haben geantwortet: Es hange nicht von ihnen ab, indem der Gesandte an die sämtlichen Cantone accreditirt sey. Der französche Abgeordnete ist deßhalb nach Zürch gekommen. Das weitere steht zu erwarten. Mir will es scheinen als suchten die Franzosen Händel mit den Schweizern, die überbliebnen im Directorio sind ihre Freunde nicht, in Barthelemy ist ihr Schutzpatron verbannt. Ein verständiger Mann, der von Paris kommt und die letzten Scenen mit erlebt hat, behauptet daß es nicht sowohl der royalistischen als der friedliebenden Parthey gegolten habe.
Unsre eilftätige Reise, auf der wir die Cantone Schweiz, Uri, Unterwalden und Zug durchstrichen, ist sehr vom Wetter begünstigt worden. Der Pater Lorenz ist noch so munter als wir ihn vor soviel Jahren kannten. Tausendmal, ja beständig habe ich mich der Zeit erinnert da wir diesen Weg zusammen machten. Ich habe viel Freude gehabt diese Gegenstände wieder zu sehen und mich in mehr als Einem [333] Sinne an ihnen zu prüfen, meine mehrere Kenntniß der Mineralogie war ein sehr angenehmes Hülfsmittel der Unterhaltung. Die Cultur dieser Gegenden, die Benutzung der Produckte ist ein sehr einfacher aber faßlicher und angenehmer Anblick. Es war eben die Zeit des Bellenzer Marcktes und die Straße des Gottharts war mit Zügen sehr schönen Viehes belebt. Es mögen diesmal wohl an 4000 Stück, deren jedes hier im Lande 10 bis 15 Louisd. gilt hinübergetrieben worden seyn. Die Kosten des Transports aufs Stück mögen ungefähr 5 Laubth. seyn, geht es gut so gewinnt man aufs Stück zwey Louisd. gegen den Einkaufs Preis und also die Kosten abgezogen 3 Laubth. Man dencke welche ungeheure Summe also in diesen Tagen ins Land kommt. Eben so hat der Wein auch großen Zug nach Schwaben und die Käse sind sehr gesucht, so daß ein undenckliches Geld einfließt und alles äusserst theuer wird.
Ich lege eine kleine Schilderung, eine Aussicht von meinem Balkon, bey. Die Cultur ist um den Zürcher See wirklich auf dem höchsten Punckt und der Augenblick der Weinlese macht alles sehr lebhaft.
Meyer empfielt sich zu Gnaden, er ist fleißig mit dem Pinsel und der Feder gewesen. Der letzte Kasten von Rom, der die Aldobrandinische Hochzeit enthielt, ist eben angekommen, wir waren seit einiger Zeit wegen desselben in Sorgen. In einigen Tagen gedencken wir nach Zürch zu gehen und erwarten was [334] uns die Kriegs oder Friedens Göttinn für einen Weg nach Hause zeigen wird, wo wir Sie gesund und vergnügt anzutreffen hoffen. Empfehlen Sie mich Ihrer Frau Gemahlinn zu Gnaden und erhalten mir Ihre geneigten Gesinnungen.
Goethe.