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An Sulpiz und Melchior Boisserée

Ihre herrliche Sendung, meine lieben Freunde, hätte mich erschreckt und beschämt, wär es mir nicht gerade zu Muthe gewesen, als brächten Sie mir diese liebliche Gabe in das Zimmer der Frau Amtmannin, denn ich komme seit 14 Tagen nicht aus Ihrer Nähe, und wallfahrte vom Schlosse zur Eyckischen Capelle und so immer ab und auf. Haben Sie tausend Dank für die Freude die Sie mir gemacht haben, für die geistreichen und so wohl ausgeführten Bilder, für die glücklichen Erinnerungen und Anregungen und für alles liebende Wohlmeinen was Sie sich selbst bewußt sind hineingelegt zu haben. Danken Sie allen Theilnehmenden, Herrn Wilken und Köster. Warum kann ich nicht ein halb Jahr in Heidelberg seyn! ich wollte im Neßkh und Talik hoffentlich meinen Dank zierlich schreiben lernen. Denn ob es gleich um mich her [236] auf alle Weise saust und braust und ich in diesen Tagen wenig zu Ruhe komme, so wird doch immer des Orients lesend, schreibend und dichtend gedacht.

Der 8. und 9. Bogen des Heftes war eben in der Revision. Der Umschlag ist auch schon gestochen, worauf das Meiste gelungen, einiges mißlungen ist. Beydes wird Ihnen Spaß machen. Was ich bis jetzt von Ihrer Sammlung gesagt habe ist ein wunderbarer Text zu einem ewigen Commentar, wovon ich selbst einige Apprehension habe. Mit welcher Frömmigkeit jedoch und Aufmerksamkeit ich dabey zu Werke gehe, ersehen Sie daraus, daß die 14 Foliohefte des d'Agincourt mir nicht aus den Augen kommen, ein Werk das ich schätze, weil es mich höchlich belehrt und das ich verwünsche, weil es mir die Einbildungskraft verdirbt.

Soviel für dießmal, damit das Blatt nicht liegen bleibe. Der Steinmetzen Brüderschaft geht nächstens ab, die Diss. de Artificibus Palatinis mit mehrern ähnlichen Schriften folgt auch. Über Ihre vorigen Briefe hätte ich manches zu sagen. Was Canova bey seinem Zug durch Deutschland gesprochen, davon hab ich manches gehört und begreife es nicht recht. Die Künstler kommen mir oft vor wie Väter und Mütter, welche recht hübsche Kinder zeugen ohne zu wissen wie es zugeht.

Tausend Grüße

Weimar den 29. Jan. 1816.

G. [237]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1816. An Sulpiz und Melchior Boisserée. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-91A9-6