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An Carl Friedrich von Reinhard

Ihr theures Schreiben, hochverehrter Freund, war mir wie immer höchst erfreulich willkommen, zu einer Zeit, wo ich Erquickung und Erholung von einem zwar [148] nicht unangenehmen, aber doch zudringlichen Geschäft zu wünschen hatte. Den schönsten Dank also für die mannlichfaltigen Mittheilungen und den motivirten Ausdruck fortwährender Theilnahme.

Demselben folgte bald eine wünschenswerthe Äußerung des Professor Hegel in Berlin; dieser wundersam scharf und feindenkende Mann ist seit geraumer Zeit Freund meiner physischen Ansichten überhaupt, besonders auch der chromatischen.

Bey Gelegenheit des entoptischen Aufsatzes hat er sich so durchdringend geäußert, daß mir meine Arbeit wirklich durchsichtiger als vorher vorkommt. Da Sie nun auch so treulichen und ununterbrochenen Antheil daran genommen, so wird Ihnen gewiß ein Auszug der hauptrelevanten Stellen angenehm seyn. Die entschiedene Theilnahme kam mir um so erwünschter, als ich bey Bearbeitung des entoptischen Capitels auf die übrigen Rücksicht nehmen und mir sie, mehr als in der Zwischenzeit, vergegenwärtigen mußte; da bin ich denn bey Durchblätterung aller Actenstücke wieder in die alte Leidenschaft gefallen, mit der auch Sie so freundliche Nachsicht hegen.

Die Hälfte des neuen Stücks von Kunst und Alterthum liegt bey, möge es Ihnen einige heitere Unterhaltung geben.

Daß Sie eine so edle Freundin vermissen, bedaure ich von Herzen, ein solcher Verlust ist groß, im Vorschritt der Jahre schwerer zu verschmerzen. Lassen[149] Sie von dem, was Sie ihr zugewendet, mir einen Theil zu Gute kommen. Den Tod der höchstseligen Kayserin hab ich noch nicht verwunden; es ist eben, als wenn man einen Hauptstern am Himmel vermißte, den man nächtlich wiederzusehen die erfreuliche Gewohnheit hatte.

Und eben in dem Augenblick, da ich mit diesen traurigen Betrachtungen zu schließen gedenke, meldet sich der so freundlich und vorsorglich angekündigte Wein, und so wird diese Stunde zu einem Lebensbilde, wo Freund und Leid unaufhörlich wechseln, sich an und über einander drängen; dabey denn Freundschaft und Liebe, Anerkennung und Verehrung, Vorsorge und Nachhülfe das schönste Gleichgewicht allen Zuständen verleihen. Tausend Dank! Sobald die werthe Gabe auch bey uns ausgeruht, soll sie, mit den treusten Wünschen für des Freundes Heil, mäßig genossen werden.

treulichst

Weimar den 5. März 1821.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1821. An Carl Friedrich von Reinhard. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-91B1-1