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An Friedrich Schiller

Das was Sie mir von Ihrem wenigern Einfluß auf Agnes von Lilien schreiben vermehrt meinen Wunsch daß die Verfasserinn, im Stillen, die Arbeit, besonders des zweyten Theils, nochmals vornehmen, ihn als Geschichtsdetail reicher machen und in Reflexionen mäßiger halten möge. Das Werk ist werth, um so mehr da sie schwerlich, ihrer Natur nach, ein zweytes Süjet finden wird in dem sie sich so glücklich ergehen kann. Im zweyten Bande sind mehrere sehr glückliche Situationen, die durch die Eile mit der sie vorüberrauschen ihren Effect verfehlen. Ich wüßte nicht leicht einen Fall durch den man den Leser mehr ängstigen könnte als die Scheinheirath mit Julius, nur müßte freylich diese Stelle sehr retardirend behandelt werden.

Wenn Sie meiner Meinung sind, so suchen Sie die Verfasserinn zu determiniren, um so mehr da es keine Eile hat, und man natürlich den ersten Eindruck eine Zeit lang muß walten lassen.

Da ich von aller Production gleichsam abgeschnitten bin, so treibe ich mich in allerley praktischem herum, obgleich mit wenig Freude. Es wäre möglich sehr [58] viele Ideen, in ihrem ganzen Umfang, auszuführen, wenn nicht die Menschen die Determination, die sie von den Umständen borgen, auch schon für Ideen hielten, woraus denn gewöhnlich die größten Pfuschereyen entstehen, und bey Verwendung von weit mehr Mühe, Sorge, Geld und Zeit doch zuletzt nichts das eine gewisse Gestalt hätte hervorgebracht werden kann. Mit stiller, aber desto lebhafterer Sehnsucht sehe ich dem Tage entgegen, der mich wieder zu Ihnen bringen soll.

Ich sende Ihnen Schlossers zweytes Schreiben. Es wird mir interessant seyn über diesen Mann und dessen abermalige Äußerungen umständlicher zu sprechen, wenn wir zusammen kommen. Mir kommt nichts wunderbarer vor als daß er nicht merkt daß er im Grunde seinen Gott doch auch nur postulirt, denn was ist ein Bedürfniß, das auf eine bestimmte Weise befriedigt werden muß, anders als eine Forderung.

Leben Sie recht wohl, es ist spät geworden und ich kann nur noch Sie und Ihre Frauenzimmer bestens grüßen.

Weimar am 7. Febr. 1798.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1798. An Friedrich Schiller. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9209-4