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An Marianne von Willemer

In Eile muß ich nur Vermelden daß Herr v. Ekendahl und seine Verdienste mir gar wohl bekannt sind; daß er ein knappes Leben führt blieb mir nicht verborgen; haben Sie Dank daß Sie mir enthüllen, [85] auf welchen Grad. Wo ich etwas für ihn thun kann weiß ich nicht, es drängt sich hier so viele Thätigkeit zusammen, daß sie sich selbst den Markt verdirbt; die Forderungen werden wie überall größer und größer, die Mittel aber schmäler und schmäler; ich habe Mühe, es in meinem Kreise am Nothwendigsten nicht fehlen zu lassen. Auf alle Fälle den besten Dank daß Sie mir Gelegenheit geben, mich näher nach dem Manne zu erkundigen und durch Erwähnung seines Verdienstes an bedeutenden Orten ihm vielleicht nützlich zu werden.

Nun aber darf ich der kostbaren küchlichen und kellerlichen Gaben nicht vergessen, die mir zu diesen reiselustigen Zeiten, wo mein Tisch fast täglich mit hin- und herwandernden Freunden besetzt ist, auf's erfreulichste zu Hülfe kommen. Ob die Artischocken dieses Jahr, durch die Witterung begünstigt, besser sind als je, oder ob es in der glücklichen Disposition der Gäste liegt, will ich nicht entscheiden; genug, man versichert, von dergleichen Zartheit und Süßigkeit noch niemals genossen zu haben. Der Wein behauptet seine alten Vorrechte, und so steht alles zum besten.

Da ich mich nun auch besser befinde als lange Zeit her, so will ich doch gern gestehen daß ich lieber Gast in der wasserreichen Mühle seyn möchte als Wirth in dem trocknen Thüringen. Ich fahre bey diesem schönen Wetter öfter als sonst im Lande umher, blicke jedoch bey einer noch so weiten Aussicht [86] von der Höhe des Ettersberges in ein fruchtbares, aber von keinem Wasserspiegel noch Rauschbach belebtes Land, nach Südwesten hinüber, wo dergleichen reichlich zu finden ist.

Sodann überzeugen Sie sich gewiß, daß bey dem verunglückten Dampsschiff bey Bingen ich lebhaft erinnert worden an die Freunde die vor kurzem jene leidigen Felsen glücklich vorbeygefahren; nicht ohne Art von nachgefühlter Bangigkeit: es hätte auch ihnen dergleichen begegnen können.

Da wir nun aber, Dank sey es dem guten Geschicke, auf dieser, besonders in gegenwärtigen schönen Herbsttagen höchst erfreulichen Erde zusammen wandeln: so lassen Sie uns in Treue und Liebe auch fernerhin verharren und von Zeit zu Zeit freundliches Wort und Gabe, wie es die Veranlassung gibt, wechselseitig mittheilen.

treu angehörig

W. d. 27. Sept. 1827.

J. W. v. Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1827. An Marianne von Willemer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9228-D