49/167.

An Marianne von Willemer

Die anmuthigen Süßigkeiten sind glücklich angekommen und, was wirklich merkwürdigen ist, haben Sie durch die obere Schicht eine frühere Geschmackslust Ihres bejahrten Freundes wieder aufgeregt, wenn die andern beiden Schichten, im Gegensatz der trübsten Wintertage, mir sonnenfreundliche Gesichter zu entwickeln nicht versehen werden.

[230] Was übrigens mich betrifft, so genügt mir bey Tisch das Wenigste, Einfachste, dächt ich nicht manchmal an die übrigen mitgenießenden Hausgenossen und Gäste. Deswegen möcht ich Sie jetzt nur um eine mäßige Sendung von Kastanien bitten, von welchen diesen Winter kaum einige Musterbilder zu uns gekommen sind.

Sodann fällt mir aber doch ein: Sie um ein paar Schwartenmagen zu bitten, welche, bey mäßiger Kälte, wohl möchten zu transportiren seyn. Während meiner Mutter Lebzeiten kamen dergleichen zu gehörger Zeit regelmäßig an, und nur zwey der ältesten Freunde erinnern sich derselben als fabelhafter mythologischer Productionen.

Gewiß werden Sie billig finden daß ich mein culi narisches Regiment mit Seltenheiten zu illustriren geneigt bin, und werden mir als liebe sorgliche Freundin hierzu gern einigen Beytrag thun. Unsre wunderliche weimarische Stellung in Absicht auf fremde Eßbarkeiten schildere ich Ihnen zunächst.

Nun aber zu einem Entgegengesetzten, welches Ihnen durch den Zeitungsklatsch zwar schon wird bekannt geworden seyn. Das asiatische Ungeheuer schlecht und drückt sich und immer näher; es soll in Merseburg sich eingefunden haben, etwa 12 Stunden von hier; freylich liegen wir schon um so vielen höher, so daß es sich noch immer eine Weile zu unsern Füßen herumdrücken kann. Mehr sag ich nicht. Hier am [231] Orte und im Lande ist man sehr gefaßt, indem man es abzuwehren für unmöglich hält. Alle dergleichen Anstalten sind aufgehoben. Besieht man es genauer, so haben sich die Menschen, um sich von der furchtbaren Angst zu befeyen, durch einen heilsamen Leichtsinn in den Islam geworfen und vertrauen Gottes unerforschlichen Rathschlüssen.

Soviel für heute; Ihrem liebenswürdigen Antheil sende nach und nach die eintretenden Vorkommenheiten, deshalb ich Sie bitte um unseretwillen unbesorgt zu seyn.

Weimar den 9. Februar 1832.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1832. An Marianne von Willemer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9233-4