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An August von Goethe

Eger den 24. August 1823.

Durch den guten Hofrath Meyer, den ich heute Abend erwarte, send ich die letzten Worte meines[192] Aufenthalts in Böhmen. Für den trefflichen Freund war freylich nicht zu erwarten, daß er in einer so kurzen Zeit bedeutend herzustellen sey; doch hat ihm, wie ich aus seinem Schreiben sehe, das Carlsbad über manches hinausgeholfen und seine Hoffnung belebt. Auch ich habe euch wiederholten Dank zu sagen, daß ihr mich herausgetrieben habt; es ist nicht mit Worten auszudrücken, was diese acht Wochen freyen, heiter-geselligen Lebens mich wieder hergestellt haben. Nur ist noch eine gewisse Reizbarkeit übrig geblieben, die ich erst bey'm Anhören der Musik gewahr geworden; ohne die Frauen Milder und Szymanowska wär ich nie dazu gekommen. Da aber dieses bis zum Bewußtseyn emporgehoben ist, so wird auch darauf zu wirken seyn. Morgen will ich nach Carlsbad, um auch diese Bilder in mir zu erneuern; sodann zum Grafen Auersperg auf Hartenberg, worauf ich nach Eger zurückkomme. Sende, wie früher gemeldet, den Kutscher, daß ich Sonnabend den 13. September in Jena seyn kann; ängstige dich aber nicht, wenn ich einige Tage länger ausbleibe, denn ich ginge vielleicht über Wunsiedel, machte einen Besuch in Redwitz und Conradsreuth, welches mich retardiren, würde.

Rath Grüner setzt seine mineralogischen und geognostischen Geschäfte mit unglaublicher Thätigkeit fort; seit zwey Jahre hat er die Oryktognosie so studirt, daß er bald von allen Kunstgenossen wird respectirt seyn. Auch hat er gleich einen Tauschhandel eingeleitet, [193] der sein Kabinett ansehnlich bereichert; und da er seine Sendungen durch die Franzenbrunner Krugfuhren verschicken kann, so ist es mit wenig Kosten verknüpft.

Gar manches Andere wirst du aus den Tagebüchern ersehen; vieles wird zu erzählen seyn.

Danke Rehbein für sein gehaltvolles Schreiben; ich freue mich, ihn bald wieder zu sehen und zu sprechen.

Erst dachte ich dir ein kleines Schwänchen Mineralien zu schicken, es mag aber alles zusammen anlangen. Doch kann ich mich nicht enthalten, dir eine Masse Andalusiten beyzulegen, dergleichen sich Andalusien wohl nicht zu rühmen hat. Ich bringe noch schönere Gruppen mit.

Fräulein Meyer, Rehbeins Braut, ist hier; ein gar hübsches gutes Frauenzimmer, das einer allgemeinen Achtung genießt; auch Rath Grüner gibt ihr das beste Zeugniß und freut sich dieser Verbindung. Sie weiß sich recht gut zu betragen, wie ich diese sechs Wochen her täglich recht gut bemerken konnte.

Nun aber will ich noch von unserm Tische in Jena sprechen; es wäre wohl schicklich, daß du Herrn und Frau v. Lyncker darüber in meinem Namen ein Compliment machtest. Es wäre ihnen freylich, wie ich gemerkt habe, lieber, wenn wir bey ihnen das Mittags-Mahl einnähmen, wie auch ganz natürlich ist; in meiner jetzigen Stimmung bin ich es auch zufrieden,[194] damit ich nicht gleich wieder in's Einsidlerische verfalle.

Meyer ist angekommen, und ich schließe das Beste wünschend.

Eger den 24. August 1823.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1823. An August von Goethe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9266-3