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An Carl Ludwig von Knebel

Nach geraumer Zeit begrüße ich dich wieder einmal, mein alter verehrter Freund, und läugne nicht, wie ich manchmal beunruhigt bin, daß ein Geschick, das uns so lange mit einander und so nahe neben einander bleiben und wohnen läßt, uns beiderseits aus einander hält, ohne daß wir unternehmen und wagen dürfen, öfter zusammen zu kommen. Ich tröste mich dadurch, daß ich immerfort darauf hinarbeite meinen Freunden von Zeit zu Zeit im Geiste zu erscheinen; wie ich mich denn besonders freue, wenn meine Helena, auf die ich undenkliche Zeit und Sorgfalt verwendet, die Aufmerksamkeit meiner Theuren auf sich zieht, sie zum Betrachten und Denken aufregt, zum Entwickeln und Vorschreiten.

Weller wird dir gesagt haben, daß der Zeichenmeister Lieber sich in Dresden befindet, um dort bey dem großen Restaurator Palmaroli sich in diesem wichtigen Geschäfte zu unterrichten. Du hast einige Bilder, die gar sehr dieser Nachhülfe bedürfen. Wolltest du mir z.B. das Porträt deines Herrn Vaters herüberschicken, welches gar wohl, in manchem Sinne, verdient erhalten und aufgefrischt zu werden, so sendete solches mit dem nächsten Transport nach Dresden und du würdest Freude an dem erneuten Bilde finden, die ich als Familien- und Kunstfreund zu theilen hätte.

[262] Den Maler Durst habe ich gesprochen. Herr und Frau v. Schwendler sind in Berka, ich weiß also nicht, was ihm weiter gelungen ist. Da man nicht gern ohne bedeutende Ursachen die Anordnungen einer untern Instanz reformirt, so hätte er, wie ich ihm auch gesagt habe, durch Zeugnisse seiner jenaischen Patrone sollen, daß er in Jena nützlich gewesen, daß sein Aufenthalt daselbst gewünscht werde und daß sein Unterhalt gesichert sey; er sich überdieß einer freyen Kunst befleißige, welche wohl durch kein Verbot einzuschränken wäre. Vielleicht wird dieser Weg noch eingeschlagen.

Mich hat sehr gefreut, unsere Freundin doch so weit wieder hergestellt zu sehen; sie hatte auch mir, um eurer aller willen, große Sorge gemacht.

Noch eine Anfrage, da dir doch so manches zu Gesicht kommt: ist in den deutschen Tagesblättern und Heften dieses Jahres von einen neuen Roman Manzoni's: I promessi sposi in 3 Bänden, irgendwo die Rede gewesen?

treulichst

Weimar den 18. Juli 1827.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1827. An Carl Ludwig von Knebel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-926F-2