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An Carl Cäsar von Leonhard

Ew. Hochwohlgeboren

letztes Schreiben hat mich wahrhaft betrübt, denn ich hatte durch Bergrath Voigt vor kurzem eine sehr günstige Schilderung jenes Mannes vernommen, von dem ich bisher nur aus der Ferne und beynahe nur dem Namen nach unterrichtet war. Kaum sind mir seine Verdienste anschaulich, kaum nähre ich die Hoffnung einer belehrenden Bekanntschaft, so muß ich vernehmen daß er auch in diesen wilden Tagen von ins gerissen worden. Fast keinen Brief eröffne ich gegenwärtig ohne daß ich darin Klagen einer verwaisten Familie, eines gestörten freundschaftlichen Cirkels vernehme, und zu gleicher Zeit rathen uns die Ärzte Heiterkeit des Gemüths, Frohsinn und Gleichmuth an, als das einzige Mittel uns vor gleichem Schicksal zu bewahren; und wer fände sich leicht in solche Widersprüche. Mögen Ew. Hochwohlgeboren mir etwas von Ihren Vorsätzen, Hoffnungen [63] und Wünschen mittheilen, so werde ich gewiß den reinsten Gebrauch davon machen. Durchl. der Herzog kommen nächstens zurück, aber auch da wird es so viele Betrachtungen in's ganze geben, daß man schwerlich, wie sonst wohl geschehen, auf das Wohl des Einzelnen förderliche Rücksicht nehmen kann. Da jedoch so viel Zufälliges in der Welt ist, so soll man nicht unterlassen hie und da anzuklopfen, und auf die Gunst des Tages zu vertrauen, von dessen Ungunst, in Hoffnung einer glücklicheren Nationalzukunft, man so vieles erduldet.

Sollte dieser Brief nicht zu spät ankommen und es sollte Ihnen noch möglich seyn sich Durchlaucht dem Herzog, blos in Beziehung auf Ihr naturfreundliches Verhältniß zu unseren Jenaischen Instituten, darzustellen, so würde dieses wenigstens eine gute Einleitung seyn.

Mich zu geneigtem Andenken mit der Versicherung gefühlter Hochachtung bestens empfehlend

gehorsamst

Weimar, den 12. Decb. 1813.

J. W. v. Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1813. An Carl Cäsar von Leonhard. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9288-8