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An Carl Ludwig von Knebel

Weimar d. 17. März 1817.

Für den mitgetheilten behaglichen Brief danke zum allerschönsten; man sieht in wunderliche Zustände hinein. Deswegen wird mir auch meine Sammlung von eigenhändigen Briefen bedeutender Menschen immer interessanter, ja zuweilen furchtbar; man wird in ein vergangenes Leben, als in ein gegenwärtiges versetzt, und wird verleitet das gegenwärtige als ein vergangenes anzusehn.

Den Aufsatz von Ruckstuhl hast du wohl schon in der Nemesis gesehen. Ich schicke dir aber einen besondern Abdruck zu Erb- und Eigenthum; man kann sich nicht genug daran erfreuen, noch ihn genugsam besonders jungen Leuten empfehlen.

Mein zweytes Rhein- und Maynheft wird ehstens aufwarten und wird als eine Bombe in den Kreis der Nazarenischen Künstler hinein plumpen. Es ist gerade jetzt die rechte Zeit ein zwanzigjähriges Unwesen anzugreifen, mit Kraft anzufallen, und in [23] seinen Wurzeln zu erschüttern. Die paar Tage, die mir noch gegönnt sind, will ich benutzen, um auszusprechen, was ich für wahr und recht halte, und wär' es auch nur, um, wie ein dissentirender Minister, meine Protestation zu den Acten zu geben. Der Aufsatz jedoch selbst, mit seinen lehrreichen Noten, ist von Meyern und dient als Confession, worauf die Weimarischen Kunstfreunde leben und sterben.

Nun hab ich nach dem Schutzgeiste gleichfalls ein Kotzebuisches kleines Stück für unser Theater eingerichtet, was ich mit mehrern zu thun Willens bin, weil alles darauf ankommt, daß unser Repertorium wieder vollständig, ja reich werde; hernach macht mir das Geschäft eigentlich nur noch wenig zu schaffen. Indem ich nun diese Exercitien eines vorzüglichen, aber schluderhaften Talents corrigire, lern ich es immer mehr kennen und will einmal zur heiteren Stunde zu eigner und der Freunde Satisfaction meine Gedanken ordnen und schriftlich aufsetzen. Es ist wohl der Mühe werth den Widerstreit, in welchem er mit sich selbst, mit der Kunst und dem Publicum sein Leben zubringt, klar auszusprechen und ihm selbst, so wie denen, denen er gefällt oder mißfällt, Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Denn er bleibt in der Theatergeschichte immer ein höchst bedeutendes Meteor.

Ich lege ein Bändchen Gedichte bey, die vielleicht dir, gewiß aber unsern niederdeutschen Freunden,[24] welche ich schönstens zu grüßen bitte, viel Vergnügen machen. Majolika und die übrigen Nürnberger Schätze sind nun glänzend aufgestellt, Kennern und Liebhabern zur Freude gereichend.

Lebe wohl und liebe.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1817. An Carl Ludwig von Knebel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-928B-2