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An Friedrich Joseph Schelver

[Concept.]

Ew. Wohlgeb.

haben mir durch Ihre Abhandlung ein wahres Geschenk gemacht. Schon in Carlsbad hatte ich Nachricht davon, und bemühte mich bisher vergebens sie zu erhalten. Noch gar wohl erinnere ich mich der guten Zeit, wo Sie mir diesen Gedanken zuerst eröffneten und ich Sie ersuchte, da wir ohnedem mancher Paradoxieen wegen berufen seyen, diese Überzeugung bey Sich recht reif werden zu lassen und vollkommen auszubilden. Dieses ist nunmehr geschehen und die ganze Sache ist mit musterhafter Klarheit dargestellt, so daß wenn man auch nicht gerade die Überzeugung theilt, doch das Werkchen als eine treffliche Deduction für Ihre Vorstellungsart gelten und einen Jeden zu solchem Nachdenken auffordern muß, zu dem er ohne diese Veranlassung nicht gelangt wäre.

Was mich selbst betrifft, so habe ich, seit Ihrer damaligen Äußerung, den Gedanken nie außer Acht gelassen, und mich desselben als eines Gegengewichts gegen die herrschende Meynung bey meinen stillen Forschungen bedient. Zu entscheiden wage ich nicht; aber man mag die Sache nach Ihrer Weise ansehn, und die drey Reiche, wie es von Ihnen geschehn, trennen und isoliren, oder man mag einem Übergehn aus dem [107] einen in das andere, einer Verbindung derselben günstig seyn, so bleibt Ihre Einrede von großem Werth. In dem ersten Fall besteht Ihre Ansicht für sich und schließt die Vegetation auf eine bedeutende Weise in sich selbst ab. In dem zweyten falle müßten sich auf diesem weg köstliche Aufschlüsse über die Zeugung der Thiere finden.

Auf diesem letzten habe ich bisher zu wandeln gesucht, und ich theilte vielleicht in der Folge etwas von meinen Resultaten mit, die alsdann als Begriff oder als Symbol gelten mögen. Gegenwärtig habe ich nur Ihre Abhandlung zu studiren und mich von Ihrer Überzeugung so zu durchdringen, daß ich sie völlig zur meinigen mache und sie mir und andern klar und deutlich und ohne Widerrede darzustellen.

Vielleicht giebt diese Abtheilung Ihres größern Werks Gelegenheit zu Empfehlung des Ganzen, von welchem dieses Musterstück eine günstige Hoffnung erregen muß.

Leben Sie recht wohl und bleiben Sie von meiner aufrichtigen Theilnahme auch überzeugt.

Den 5. October 1812.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1812. An Friedrich Joseph Schelver. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-92C6-B