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An Carl Ludwig von Knebel

Deine Bemerkung ist ganz richtig, daß wir für das Alter ein wenig zu weit auseinandergesät sind. Die Jugend mag sich wohl auseinander begeben, denn sie ist beweglich genug, um wieder zusammenzukommen. Auch sind die Zeiten so wie Herbst- und Wintertage, wo man gern näher zusammenrücken mag. In Humboldts Reisen haben mir deswegen jene Affen gefallen, die, sobald sie in eine kühlere Temperatur kommen, sich gleich in großen Schaaren enge zusammendrängen. Dabey sucht denn jeder in die Mitte zu kommen, um so warm zu sitzen als möglich; welches zu gar possirlichen Unterhandlungen Anlaß geben mag.

Ich weiß nicht, ob ich dir schon geschrieben habe, daß der Humboldtischen Reise erster Theil angekommen ist. Er enthält Vorschläge zu einer Geographie der Pflanzen, und ein allgemeines Naturgemälde der Tropischen Länder. Es ist ein sehr gedrängtes gehaltreiches Werk, das von vielen Seiten interessirt. Da es besonders an die Einbilungskraft Anforderungen[302] macht, so habe ich, da ein Durchschnitt, der ihr zu Hülfe kommen soll, noch fertig und ausgegeben ist, einstweilen selbst eine ideale Landschaft skizzirt und nach dem angeschriebenen Maaß von 4000 Toisen, an der Seite, die Höhen der europäischen und amerikanischen Berge gegeneinander gestellt. Auch deren Schneelinien und Vegetationshöhen bezeichnet; wodurch uns ganz wunderliche Verhältnisse anschaulich werden. Vielleicht schreibt dir deine Fräulein Schwester etwas davon. Denn ich habe diese Dinge zum Gegenstand meiner Vorlesungen gemacht, welche Mittwochs wieder angegangen sind und die ich bis zu meiner Abreise ins Carlsbad fortzusetzen hoffe. Wenn du uns besuchst, so wirst gern daran Theil nehmen.

Die Müllerische Rede übersetzte ich, weil mir die Art sehr wohl gefiel, wie er unter den gegebenen Umständen seinen Gegenstand gefaßt hat. Ich ließ die Übersetzung drucken, weil ich hörte, daß der Verfasser deshalb mancherley Unannehmlichkeiten gehabt hatte, und ich überzeugt war, es werde zu seinem Vortheil gereichen, wenn mehrere das, was er gesagt hatte, in Deutscher Sprache vernähmen.

An dem Farbenwesen wird immer fortgearbeitet, aber ich sehe das Ende noch nicht ab. Bey der polemischen Behandlung muß ich Schritt vor Schritt die Newtonischen Versuche wiederholen, um sie genau beurtheilen und entwickeln zu können; und da läßt mich denn die Sonne mehr als einmal im Stich.

[303] Wolltest du wohl dem Doctor Voigt sagen, er möchte doch die Gefälligkeit haben, mir die große französische botanische Karte zu schicken. Ich bedarf ihrer jetzt gar sehr zu den Studien nach Humboldt. So weit für dießmal, mit den besten Grüßen und Wünschen für dein Wohlseyn und deine baldige Ankunft in Weimar.

d. 4. Apr. 1807.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1807. An Carl Ludwig von Knebel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-92D5-9