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An Charlotte von Stein

Morgen geht ein Husar um die Religieuse zu hohlen, ihm will ich auch dieses Blat an Sie mitgeben.

Es geht uns recht gut. Der Tag lauft weg wie das Leben, man thut nichts und weis doch nicht wo die Zeit hinkommt. Der Herzog hat einen entsezlichen Schnuppen der ihn in der Sozietät nicht sehr interessant seyn läßt, ich bin auch davon ein wenig [69] angegriffen, doch sind meine Ideen immer um ein gut Theil losgebundener.

Sie ist liebenswürdig, einfach, klug, gut, verständig, artig pp alles was Sie wollen, und ihr ganzes Wesen ist recht gemacht mich an das zu erinnern was ich liebe.

Heute ist gezeichnet worden. Der Graf hat auserordentlich schöne Ewerdingen, davon hab ich zwey angefangen, es ist eine Gröse und Krafft drinne an der man sich ewig erlaben kan.

Sonst liest und schwäzt man, isst und trinckt, mir kommts ganz ungewohnt vor solche harmlose Tage zu haben.

Im Zeichnen war ich heute wieder recht unzufrieden mit mir, es wird eben nichts draus und kan nichts wer den. Ich bin immer so nah und so weit wie einer der vor einer verschlossnen Thüre steht.

Versäumen Sie ia nicht mir mit dem rückkehrenden Husaren ein Wort zu sagen. Bertuch soll mit der Abfertigung so lange warten. Sagen Sie mir was ich immer hören mag daß Sie mich lieben, immer neuer und schöner lieben.

Gestern auf dem langen Weeg, dacht ich unsrer Geschichte nach, sie ist sonderbaar genug. Ich habe mein Herz einem Raubschlosse verglichen das Sie nun in Besiz genommen haben, das Gesindel ist draus vertrieben, nun halten Sie es auch der Wache werth, nur durch Eifersucht auf den Besiz erhält man [70] die Besiztühmer. Machen Sie's gut mit mir und schaffen Sie gottseelig den Grimmenstein in Friedenstein um. Sie haben es weder durch Gewalt noch List, mit dem Freywillig sich übergebenden muß man aufs edelste handlen, und sein Zutraun belohnen.

Da ich der ewige Gleichnißmacher bin, erzählt ich mir auch gestern, Sie seyen mir was eine Kayserliche Kommission den Reichsfürsten ist. Sie lehren mein überall verschuldetes Herz haushälticher werden, und in einer reinen Einnahme und Ausgabe sein Glück finden. Nur meine Beste unterscheiden Sie sich von allen Debit Commissarien daß Sie mir eine reichlichre Competenz geben als ich vorher im Vermögen gehabt. Sezzen Sie Ihr gutes Werck fort, und lassen Sie mich iedes Band der Liebe Freundschafft, Nothwendigkeit, Leidenschafft und Gewohnheit mich täglich fester an Sie binden. Wir sind in der That unzertrennlich, lassen Sie es uns auch immer glauben und immer sagen. Gute Nacht. Sie müssen iezt meinen gestrigen Brief haben und morgen bey guter Zeit erhalten Sie diesen. Wenn Sie fleisig und artig waren; so kann ich auch übermorgen von Ihrer Hand lesen was ich so sehr wünsche. Da die Tage so schnell herumgehn, so lebt die Hoffnung in mir Sie bald wiederzusehn.

Der Herzog kan für Schnuppen nicht schreiben sagt er. Mich lockt ein Husar der nach Weimar geht ganz anders.

[71] Adieu. Ich habe das liebe Band im Schreiben um die Hand gebunden, und küsse Ihnen in Gedancken tausendmal die Hände. [Neunheiligen] Donnerstag d. 8ten. Abends 10 Uhr.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1781. An Charlotte von Stein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-92D9-1