29/7987.
An Georg Sartorius
Eine Antwort, mein Theuerster, auf Ihren lang erwarteten Brief hat sich von Woche zu Woche verzögert. Seit dem 21. November v. J. bin ich anhaltend in Jena, wo ich außer meinen gewöhnlichen Geschäften auch noch die akademische Bibliothek zu behandeln übernommen, worüber die Göttinger aber, ich mag mich bemühen, wie ich will, nicht eifersüchtig seyn werden.
Das dritte Heft von Kunst und Alterthum wird diesem Briefe bald folgen; möge darin einiges für Sie erfreulich seyn. Der Divan ist auch in Druck [61] gegeben, bey dessen Revision ich mich immer mit Vergnügen der guten Stunden erinnere, die ich mit meinen werthen Freunden und Gevattern zugebracht. Gelangt dieser Aftermahometaner dereinst zu Ihnen, so werden Sie ihn in seiner Maskenhülle freundlich aufnehmen, indem Sie einen wohlbekannten Freund dahinter nicht verkennen.
In Jena hab' ich mir ein freundliches Quartier ausgesucht; unmittelbar über der Camsdorfer Brücke, in dem Erker eines hohen Gebäudes, wo ich denn ein bewegtes Hin- und Herwandern der beiderseitigen Uferbewohner täglich vor Augen habe, bald schleichenden, bald rauschenden Fluß, ruhende Stadt, in einem Thale, das täglich anmuthiger zu werden verspricht.
In diesem Jena selbst, das gegenwärtig so viel Lärm in die Welt sendet, ist es jetzt so still als niemals, weil Jeder in seinem eignen Laboratorium die Raketen und Feuerkugeln verfertigt, womit er die Welt in Staunen setzen und womöglich entzünden möchte. Bey diesen Eruptionen sitz ich ruhig wie der Einsiedler auf der Somma. Und hiermit allen guten Geistern empfohlen. Möge ich von Ihrem Befinden das Beste hören.
Gruß und Treue
Goethe.