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An Wilhelm Dorow

Ew. Wohlgeboren

darf ich versichern, wie angenehm es mir sey, wenn Dieselben ein seit langen Jahren gehegtes Vertrauen abermals aussprechen, obschon ich lange nichts von[137] mir vernehmen lassen. Ich habe mich aufrichtig des Glücks gefreut, das Sie bey Ihrem Forschen und Suchen in Italien begünstigte, wie ich denn allem zu folgen gesucht habe, was in diesem schönen Felde unentdeckter Alterthümlichkeiten sich hervorthun mochte.

Dabey kann ich aber mein Leidwesen nicht verbergen, daß zwischen den Männern, welche sich jetzt mir so angenehmen als wichtigen Gegenständen beschäftigen, eine Art von Widerwürdigkeit hervortritt, und zwar eine solche, wie sie nicht blos aus Verschiedenheit der Meynung zu entstehen pflegt, sondern welche sogar die Sittlichkeit der Betheiligten verdächtig macht. Plagiate, Präoccupationen, Übereilung, Unwissenheit, oberflächliche Behandlung, bösen Willen, und wie der Unfug alles heißen mag, wirft man sich einander vor, wie mir leider aus den verschiedenartigen Druckschriften zur Kenntniß gekommen. Thun Sie als unermüdlicher emsiger Forscher das Mögliche, diesen Widerstreit, wo nicht beyzulegen, doch dergestalt zu mildern, daß die Reinigkeit des wissenschaftlichen Gegenstandes bewahrt und die Moralität der Mitwirkenden nicht verdächtig werde. Möge das bisher vom Glück begünstigte Unternehmen künstighin gleiche Förderniß erfahren, wovon mir Nachricht zu erhalten jederzeit sehr angenehm seyn wird.

In vorzüglicher Hochachtung

Ihr ergebenster Diener

Weimar den 9. November 1829.

J. W. v. Goethe. [138]

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1829. An Wilhelm Dorow. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-93D2-5