35/221.

An den Großherzog Carl August

[Concept.]

Ew. Königliche Hoheit

für das Übersendete unterthänigst dankend werde sogleich das Weitere besorgen. Mir sey vergönnt, bey dieser Gelegenheit einiges vorzutragen.

1) Wegen der Edelstein-Sammlung erbitte mir noch kurze Frist. Die Arbeit ist dahin gediehen, daß

a) die Steine, je nachdem es Farbe und Feuer verlangt, auf schwarzen oder weißen Grund gebracht worden;

b) daß die neuen Nummern in die Kästchen selbst befestigt;

c) dem neuen Catalog die Nummern des alten hinzugefügt, und

d) die Brückmannischen frühern Beschreibungen zur Seite gebracht worden.

Da dieses nun soweit gediehen, so sind die neuen Acquisitionen einzurangiren, das Sämmtliche zu mundieren und Höchst Denenselben zu übergeben, vielleicht auch irgend einem vertrauten Manne die Intention dieser Ordnung und wie etwa in der Folge zu verfahren wäre, daß die Ordnung immer gleich erhalten bliebe, mitzutheilen.

2) Was ich zeither von dem Vulkan im Monde erfahren können ist Folgendes:

(inseratur)

[258]

Doch ist dieses vielleicht Höchst Denenselben schon bekannt; deshalb füge die Mayersche Mondscharte bey, interessant durch die hinzugeschriebenen Namen der Berge. Der Pfeil linker Hand deutet auf die Stelle obiger Erscheinung, welche sich nach Aussagen er Beobachter schon mehrmals wiederholt haben soll.

3) Von dem Ilmenauer Baum-Segment hätte Folgendes zu erwähnen:

Dieser ungewöhnlich starke Vogelbeerbaum mag vor zwanzig Jahren 16 Zoll im Durchmesser gehabt haben. Er ward durch ein Mißverständniß auf zwey Drittheil durchsägt, die Wunde jedoch sogleich verbunden, da denn Rinde und Splint sich wieder vereinigten und sodann unser Baum diese ganze Zeit über am Leben blieb, ob er gleich zuletzt an den Endzweigen kränkelte, und zu Ende vorigen Jahres durch einen Sturm an der Wurzel abgebrochen wurde.

Das vor uns liegende Segment, 12 Zoll hoch, läßt den Schnitt in der Mitte sehen, welcher wie eine Narbe vertieft, aber doch völlig zugetheilt ist, wie denn der Sturm der gesundeten Stelle nichts anhaben konnte.

Dieser Baum wäre nun also wohl anzusehen als auf sich selbst gepfropft, denn da man nach herausgezogener Säge sogleich die Vorsicht brauchte die Verletzung von aller Lust zu bewahren, so faßte das Leben der sehr dünnen Rinde und des darunter verborgenen Splints sich sogleich wieder an und erhielt ein fortgesetztes Wachsthum.

[259] Nicht so war es mit dem Holze. Dieses, einmal getrennt, konnte sich nicht wieder lebendig verbinden; die stockenden Gäste decomponirten sich, und der sonst so feste Kern ging in eine Art Fäulniß über.

Merkwürdig jedoch bleibt es, daß der genesenen Splint kein frisches Holz ansetzen konnte und daher die Verderbniß des Kerns bis an die zwey Drittheile sich heranzieht.

Nicht so ist es mit dem gefundenen Drittheile, dieses scheint fortgewachsen zu seyn und dem Stamm eine ovale Rundung gegeben zu haben, wie denn auch reichliche fünf Zoll frisches festes Holz von dem äußern Ende herein zu sehen ist. Leider ward bey'm Transport gerade das gefundenen Drittheil der Rinde und des Splints abgestoßen, wodurch man denn von weiterer Betrachtung dieses Phänomens abgehalten wird. In Gefolg der Vorgesagten nun erbitte mir die Erlaubniß, einen diagonalen Durchschnitt vorzunehmen, von welchem denn wohl weitere Belehrung zu hoffen ist.

Noch ein wundersames Phänomen einer diesem Block noch immer einwohnenden lebendigen Vegetationskraft muß ich anführen. Auf der oberen Fläche erzeugte sich gar bald ein schimmel- oder schwammartiges Wesen, dasselbe mag auf der untern Fläche auch geschehen seyn. Hier hat er sich aber mit dem eichenen Bret des Gestells, worauf er gesetzt ist, dergestalt vereinigt und verbunden, daß eine starke Mannskraft ihn nicht davon loßreisen kann.

[260] 4) Höchst Dieselben haben ja wohl die Gnade, beykommendes Heft von Kunst und alterthum an Mylius gelangen zu lassen. Es steht zwar nichts darin, was sich unmittelbar auf Mailand bezieht, allein ich wünsche, daß sie in Connexion bleiben, weil ich im nächsten Stück die wohlgerathene Ode des Alexander Manzoni übersetzt zu geben denke. Bey der starken Opposition, welche dieser Dichter erleidet, ist ihm und seinen Freunden eine tramontane Theilnahme sehr erwünscht.

Weimar den 4. Februar 1822.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1822. An den Großherzog Carl August. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-93D9-8