42/197.

An Friedrich Theodor von Müller

Fliehe Täubchen flieh
Er ist nicht hie!
Der dich an dem schönsten Frühlings-Morgen
Fand im Wäldchen da du dich verborgen –
Fliehe Täubchen flieh,
Er ist nicht hie:
Böser Laurer Füße rasten nie.
Horch Flötenklang,
Liebesgesang
Wallt auf Lüftchen hin zu Chloes Ohren
Find't im zarten Herzen offne Thoren,
Horch Flötenklang,
Liebesgesang,
Horch, es wird der süßen Lieb' zu bang.
Hoch ist sein Schrift,
Fest ist sein Tritt,
Schwarzes Haar auf runder Stirne bebet,
Auf den Wangen ew'ger Frühling lebet,
Hoch ist sein Schritt,
Fest ist sein Tritt,
Edler Deutschen Füße gleiten nit.
Wonn' ist die Brust,
Keusch seine Lust,
Schwarze Augen unter runden Bogen
Sind mit zarten Falten schön umzogen,
Wonn ist die Brust,
Keusch seine Lust,
Auch beim Anblick du ihn lieben mußt.
[234]
Roth ist der Mund,
Der mich verwund't,
Auf den Lippen träufeln Morgendüfte,
Auf den Lippen säuseln kühle Lüfte,
Roth ist sein Mund,
Der mich verwund't
Nur ein Blick von ihm macht mich gesund.
Treu ist sein Blut,
Stark ist sein Muth,
Schutz und Stärke wohnt in weichen Armen,
Auf dem Antlitz wohnt edles Erbarmen,
Treu ist sein Blut,
Stark ist sein Muth,
Selig wer in seinen Armen ruht.
So ist der Held,
Der mir gefällt;
Soll mein deutsches Herz weich flöten,
Rasches Blut in meinen Adern röthen?
So ist der Held
Der mir gefällt.
Ich vertauscht' ihn nicht um eine Welt!

Vorstehendes Gedicht wird mir freylich zugeschrieben, ich erinnere mich aber nicht es gemacht zu haben und wollte es daher nicht aufnehmen aus Furcht es möchte von dem wahren Autor zurückgefordert werden. Auch scheint es mir nicht ganz mit meiner Sinnes- und Dichtart übereinzutreffen.

Inzwischen habe einige höchst nothwendige Emendationen daran gewendet.

Weimar den 22. Juni 1827.

G. [235]

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1827. An Friedrich Theodor von Müller. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-940A-1