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An Leopold Dorotheus von Henning

[Concept.]

Zuvörderst also, mein Theuerster, wünsche Glück zu dem schönen Fortgang Ihrer Unternehmungen; alles Gute war zu hoffen von der Art wie Sie die Sache angefaßt und eingeleitet haben; sodann versichere wie der neue Fund mir sehr angenehm sey. Daß die Ecken eines großen Cubus den kleineren umkehren, ist von großer Bedeutung; es bewährt sich also abermals, daß das Dunklere nach dem Hellen, die Helle nach dem Dunklen strebt. Ich bitte den kleinen Apparat mitzubringen.

Dem Zeichner ist großes Lob zu ertheilen; sowohl das Gespensterhafte des großen als das Lebhaft-Farbige des kleinen Cubus hat er trefflich ausgedruckt.

Bey mir werden Sie eine gleiche Darstellung des Wachsthums finden, nach Maaßgabe der Zahlvermehrung der Platten; ich gebe Sie zum Copiren mit und wir besprechen, wie wichtig es sey, diese Bilder in ihrer ganzen Vollkommenheit zu fixiren und dem Publicum vorzulegen, da der Apparat, alles unmittelbar vor Augen zu legen, nicht leicht zusammen kommt. Bey der Fertigkeit, in Stein zu drucken, läßt sich wohl dergleichen unternehmen.

Auch ist für eine gute Vorbedeutung zu halten, daß mein wissenschaftliches Heft gerad zur rechten Zeit[117] kommt und wir ohne Verabredung zukommen treffen. Wenn Sie stetig-didaktisch, mäßig-polemisch vorschreiten, so wird es den besten Erfolg haben. Ich schweige wieder eine Zeitlang stille. Sie setzen Ihre Bemühungen fort, und so kann ein wünschenswerthes Gelingen nicht außenbleiben.

Sollte eine energische Jugend mitunter auch zu lebhaft verfahren so wollen wir ihr nachsehen, sie jedoch mit der Vorstellung zu beschwichtigen suchen: daß vor einer wohlerkannten Wahrheit der Irrthum von selbst entflieht, ohne daß man ihn zu versagen braucht.

Wenn Sie nach Gotha kommen, so zeigen Sie mir es alsbald gefällig an; auch ich gelange hoffentlich Ende August zu Weimar an.

Daß Sie Ihre Einleitung dem Drucke übergeben, billige unbesehen; nothwendig ist es hervorzutreten, irgend einen Stein in's Brett zu setzen, damit nur etwas geschehe. Inder Folge richtet man sich nach der Wirkung.

Eben so fühle schon längst die Nothwendigkeit eines Compendiums, wodurch die Chromatik in's Enge gebracht, zu Vorlesungen und zu schneller eigener Vorübung bereitet werde.

Was den Apparat betrifft, wollen wir gleich umständlich besprechen. Die getrübten Scheiben sind gut gerathen, suchen Sie möglich zu machen, daß man dieses Phänomen, worauf unsere ganze Lehre gegründet ist, [118] allgemeiner darstellen könne; wunderbar genug, daß es nicht immer, ja so selten glückt. Bey meinem dießmaligen Aufenthalt in Böhmen habe ich kein einziges Glas gefunden denenjenigen an Wirkung gleich die ich nach Berlin sandte.

Herrn Grafen Kaspar Sternberg, welcher durch Nürnberg gereis't, habe gebeten, bey den Antiquaren nach solchen Glasscherben, auch Purpur und andern sich umzusehen. Bey der königlichen Porzellanfabrik muß der fall öfters vorgekommen seyn, daß man dasjenige wornach wir streben für einen verunglückten versuch hielt.

Suchen Sie ja den Herrn Oberbergrath in Interesse zu erhalten, gewinnen auch etwa Herrn Mitscherlich, der mir von Herrn Berzelius als ein vorzüglicher junger Mann gerühmt worden. Wenn einmal ein geistreicher Chemiker gewahrt wird, was ihm unsere Farbenlehre für Vortheile bringt, so erhält die Sache sogleich ein anderes Ansehen.

Wer uns noch aushelfen könnte, wäre Herr v. Nagler, der bey seiner gränzenlosen Sammlung in seiner Humpelkammer gewiß besitzt was uns zum größten Vortheil gediehe. Vielleicht finden Sie einen Weg zu ihm, allenfalls gebe ich Ihnen einen Brief an denselben mit.

Da auch in der letzten zeit uns nicht gelingen wollte, den Glasplatten und -plättchen entoptische Eigenschaft mitzutheilen, daher Sie sogar einen sehr [119] unvollkommenen Apparat erhielten, so müssen wir bey unserer Zusammenarbeit selbst Versuche anstellen, wozu ich einen Gehülfen bey der Hand habe. Die Operation ist die leichteste, und doch scheinen auch hiezu einige Cautelen nöthig.

Die vierzehn ersten Puncte meines Promemoria sollten eigentlich in der Pappe des Kästchens gesteckt haben; wie sie weggeblieben, wird sich aufklären; da ich das Concept mit mir führe, so sende hievon eine Copie.

Stadt Eger den 11. August 1822.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1822. An Leopold Dorotheus von Henning. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-944E-B