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An Friedrich Schiller

In Jena, in Knebels alter Stube, bin ich immer ein glücklicher Mensch, weil ich keinem Raum, auf dieser Erde, so viel productive Momente verdanke. Es ist lustig daß ich an einen weißen Fensterpfosten alles aufgeschrieben habe was ich, seit dem 21. Nov. 1798, in diesem Zimmer, von einiger Bedeutung, arbeitete. Hätte ich diese Registratur früher angefangen, so stünde gar manches darauf was unser Verhältniß aus mir heraus lockte.

Eine Schnurre über das Weimarische Theater habe ich zu dictiren angefangen und mache dabey, wie billig ein erstaunt ernsthaft Gesicht; da wir die reelle Leistung im Rücken haben, so ist es gut ein wenig dämisch auszusehen und sich auf jede Weise alle Wege frey zu halten.

Hiebey kommt die Abschrift des gräcisirenden Schauspiels. Ich bin neugierig was Sie ihm abgewinnen werden. Ich habe hie und da hineingesehen, es ist ganz verteufelt human. Geht es halbweg, so wollen wir's versuchen: denn wir haben doch schon öfters gesehen daß die Wirkungen eines solchen Wagestücks für uns und das Ganze incalculabel sind.

Indem ich in das Büttnerische und akademische Bibliothekswesen hineinsehe, und die Idee eines virtualen Katalogs, der drey, im Lande bestehenden, [11] Bibliotheken, auszuführen trachte, muß ich auch in die ungeheure Empirie des Litterarwesens hineinschauen, wo einem denn doch, wenn man auch die Forderungen noch so hoch spannt, manches respectable Streben und Leisten entgegen kommt.

Im Geiste der immer neuen Jenaischen Jugend werden die Abende gesellig hingebracht. Gleich Sonntags bin ich bey Lodern, bis 1 Uhr in der Nacht, geblieben, wo die Gesellschaft gerade einige Kapitel historischer Kenntnisse aufrief die bey uns nicht zur Sprache kommen. Bey einiger Reflexion über die Unterhaltung fiel mir auf was man für ein interessantes Werk zusammenschreiben könnte, wenn man das was man erlebt hat, mit der Übersicht, die einem die Jahre geben, mit gutem Humor aufzeichnete.

Die Botenstunde naht, ich eile ein freundliches Lebewohl zu sagen.

Jena am 19. Jan. 1802.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1802. An Friedrich Schiller. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-945D-9