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An Johann Traugott Leberecht Danz

[17. Juni 1826.]

»Was aber am meisten das Artheil über die Wissenschaften und deren Werth und Bedeutung bestimmen mußte, war die Wirkung des Worts, welche durch die Reformation sich so klar und unverkennbar an den Tag legte.«

Einen umständlichen Commentar dieser wichtigen Stelle möchte wohl gern zur dankbaren Erwiderung der willkommnen Sendung überschreiben. Ja gewiß, wenn wir trachten, daß Gesinnung, Wort, Gegenstand und That immer möglichst als Eins erhalten werde, so dürfen wir uns für ächte Nachfolger Luthers ansehen, eines Mannes, der in diesem Sinne so Großes wirkte und, auch irrend, noch immer ehrwürdig bleibt. Wer an solchen Überzeugungen festhält, wird sich seines eigenen Wirkens erfreuen und auch da, wo er es gehindert fühlt, ruhigen Geistes bleiben. Es [56] betrübt ihn, aber es trübt ihn nicht, wenn er in Künsten, Wissenschaften und sonst vielfach im Leben das Pfäffische heranschleichen sieht, wie es, den menschlichen Schwächen sich fügend, einen Tag nach dem andern sich anzueignen, bildsame Jünglinge zu umspinnen, den Eigensinn der Männer zu stärken und sich so eine bequeme Herrschaft einzuleiten weiß.

Doch ich berichte lieber: den höchst schätzbaren klarvollständigen Text Ihres Werkes habe sogleich mit hastiger Theilnahme gelesen, meine historischen Kenntnisse der frühern Zeit vervollständigt, auch sie bis zur neusten mit wahrer Belehrung herangeführt gesehen. In den Noten habe manches angezeichnet, weiterem Studium vorbehalten. Wobey ich mir zum dankbaren Abschluß die Bemerkung erlaube: daß die Menschen sich vorzüglich darüber streiten, woran und worüber zu denken sie im Grund gar keine Befugniß haben.

In vorzüglichster Hochachtung und stetiger Theilnahme

ergebenst

Weimar d. 14. Jun. 1826.

J. W. v. Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1826. An Johann Traugott Leberecht Danz. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9474-4