17/5020.

An Johannes von Müller

Verzeihen Sie, verehrter Freund, wenn ich mich zu meinem Schreiben einer fremden Hand bediene; ich komme sonst besonders in dieser traurigen Jahrszeit nicht leicht zu dem Entschluß mich mit meinen lieben Abwesenden zu unterhalten.

Zuvörderst also nehmen sie meinen besten Dank, daß Sie bey so großer und wichtiger Veränderung Ihres Zustandes nicht nur den Gesinnungen nach der unsre geblieben sind, woran ich niemals gezweifelt habe, sondern auch thätig bey einem Institut fortwirken wollen, das Sie unter seine würdigsten Stifter zählt. Nehmen Sie Dank für die Zusicherung, daß Sie auch dieses Jahr im Geiste und mit der That sich zu uns halten werden. Leichter wird auf diese Weise manches Verschwerliche und Unangenehme zu überwinden seyn.

Daß bey einer neu eintretenden Jahres-Epoche die Mißwollenden ihr ganzes Klatschtalent aufbieten würden, um den Fortgang einer Anstalt, deren Möglichkeit Sie zuerst läugneten, verdächtig zu machen, war vorauszusehn und es war nicht das letztemal seyn, und hier bleibt auch wieder das Beste sie durch die Thaten zu beschämen. Der Jänner wird nächstens seine Gaben complet über das Publicum verbreiten, und ich denke, man soll ihn nicht karger finden, als seine zwölf ältern Brüder.

[249] Übrigens wird Herr Hofrath Eichstädt wohl schon einiges über die Verhältnisse gemeldet haben und auch ich, der ich den literarischen sowohl als ökonomischen Zustand der Anstalt ziemlich kenne, kann Sie als einen freundschaftlichen Theilnehmer versichern, daß das Ganze von keiner Seite auch nicht die mindeste Gefahr läuft.

Dürfen wir denn wohl gegen das Frühjahr hoffen Sie bey uns zu sehen? Wir haben jetzt eine schöne junge Heilige bey uns, zu der es wohl zu wallfahrten der Mühe werth ist. Besonders wünschte ich, daß Sie, mein verehrter, unsre Erbprinzen sähen, da Sie eine so große und weite Welt kennen und in jedem Sinn das Seltene besser zu schätzen wissen, als mancher andere.

Mögen Sie mir wohl gelegentlich ein Wort sagen, wie es Ihnen geht und mit was Sie sich vorzüglich beschäftigen? Was mich betrifft, ich habe diesen Winter zwar nicht viel gethan, doch einiges zu Stande gebracht, was Ihnen Ostern vielleicht einige Unterhaltung gewährt.

Sehen Sie manchmal Herr Tralles? Wie geht es dem guten Mann, dem ich empfohlen zu seyn wünsche, wie auch Herrn Fichte, von dessen didaktischer Thätigkeit mir manches Gute zugekommen ist.

Herr Zelter ist gewiß auch unter denen, die Sie kennen und schätzen. Wohl wünschte ich Sie zusammen einmal in Berlin zu besuchen, wenn nur an einer [250] solchen Expeditionen nicht andre Abenteuer hingen, die ich zu bestehen nicht den Muth habe.

Schiller grüßt. Er ist diesen Winter nicht ganz wohl, doch immer auf eine oder die andre Weise thätig. Auch Ihr Landsmann Meyer, der immer geschäftig ist, wünscht Ihnen empfohlen zu seyn.

Frau von Stael ist in Italien. Ob ihre passionirte Formlosigkeit durch diesen Aufenthalt etwas bestimmter werden, ob sie mehr Neigung zu den Künsten bey ihrer Rückkehr haben wird, muß die Zeit lehren. Marmontels Memoires haben Ihnen doch auch wohl Freude gemacht. Das herzlichste Lebewohl.

W. d. 25. Jan. 1805.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1805. An Johannes von Müller. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-949C-C