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An die deutsche Bundes-Versammlung

Hohe deutsche Bundes-Versammlung!

Die von so erhabener Stelle dem großen Ganzen gewidmete Übersicht schließt eine wohlwollende Betrachtung einzelner Angelegenheiten nicht aus, und es ist in diesem Sinne, daß ich Nachstehendes einer hohen Bundes-Versammlung vorzulegen mich erkühne.

Als ein im Jahre 1825 mit der J. G. Cottaschen Buchhandlung zu Stuttgart auf sieben Jahre geschlossener Contract, über meine damals vorliegenden poetischen und ästhetischen Werke, mit Ablauf der Zeit zu Ende gegangen, dachte man auf eine neue erweiterte Ausgabe, welche nicht allein die zwanzig Bände jener frühern, sondern auch die inzwischen einzeln abgedruckten Arbeiten, nicht weniger manches [82] vorräthige Manuscript in sich fassen sollte. Ferner wünschte man auf die poetischen und ästhetischen auch die historischen, kritischen und artistischen Aufsätze folgen zu lassen und zuletzt, was sich auf Naturwissenschaft bezöge, nachzubringen.

Freylich mußte bey dieser Übersicht, wodurch die Bemühungen eines ganzen Lebens vor Augen treten, der Wunsch entstehen, für so mannichfache Arbeit proportionirten Vortheil und Belohnung zu erhalten, welche dem deutschen Schriftsteller meist verkümmert zu werden pflegen.

Das Mittel jedoch, einen anerkannten geistigen Besitz dem einzelnen Verfasser zu erhalten, hatte sich schon bald nach Erfindung der Buchdruckerkunst hervorgethan, indem, bey ermangelnden allgemeinen Gesetzen, man zu einzelnen Privilegien schritt. Am Anfang des sechzehnten Jahrhunderts gaben kaiserliche Schutzbriefe genugsame Sicherheit; Könige und Fürsten verliehen auch dergleichen, und so ist es bis auf die neusten Zeiten gehalten worden.

Sollte nun aber gegenwärtig der erhabene Bundestag, der Verein aller deutschen Souveränitäten, nicht dergleichen als Gesammtheit auszuüben geneigt seyn, was die Einzelnen vorher anzuordnen und festzusetzen berechtigt waren und noch sind, und wäre nicht durch einen solchen Act das entschiedenste Gewicht auf deutsche Literatur und Geistesbildung kräftigst zu bethätigen?

[83] Würde daher ein Autor, der so viele Jahre in seinem Vaterlande gewirkt, dessen reine, mit allen bestehenden und zu wünschenden Guten im Einklang beharrende Thätigkeit dem Einsichtigen vor Augen liegt, einen allzukühnen Wunsch aussprechen, wenn er ein solches Privilegium von den verbündeten und vereinten Mächten sich erbäte, und zwar für sich und die Seinigen, so daß er sowohl einen Selbstverlag unternehmen, als auch, wenn er einem Verleger das Recht von seinen Geistesproducten merkantilischen Vortheil zu ziehen übertrüge, auf diesen den gesetzlichen Schutz erstrecken könnte?

Nun aber darf ich ohne Ruhmredigkeit aussprechen daß, während einer langen Lebenszeit, erhabene Herrscher, von welchen ein günstiges Geschick die geneigtesten glücklicherweise in gedeihlichem Wohlseyn erhalten hat, durch mehrfache Beweise von unschätzbarer Huld mich begnadigt und ausgezeichnet haben, weshalb ich denn wohl hoffen darf daß man Allerhöchsten Orts einen alten treuen Diener und Verehrer in Gesammtheit wohlwollend anzublicken geneigt seyn möchte, wobey denn der erlauchten und hochverehrlichen Ministerien und Herren Bundestags-Gesandten erprobte Mitwirkung gleichermaßen anzugehen die Freyheit nehme.

Durch solche Aussicht in meinem Unternehmen gekräftigt wage nunmehr nachstehende Bitte ehrerbietigst auszusprechen:

[84] Daß mir durch den Beschluß der hohen deutschen Bundes-Versammlung für die neue vollständige Ausgabe meiner Werke ein Privilegium ertheilt und dadurch der Schutz gegen Nachdruck in allen Bundesstaaten gesichert werde, unter Androhung der Confiscation und anderer Strafen, welche durch allgemeine gegen das Verbrechen des Nachdrucks künftig erfolgende Bundesbeschlüsse noch festgesetzt werden möchten. Mit der Zusicherung, daß ich hiebey von Seiten aller deutschen Bundesstaaten gehandhabt, auch auf Ansuchen bey einzelnen Bundesregierungen mit besondern Privilegien kostenfrey versehen werden solle.

Und so darf ich denn wohl zum Schlusse dieses für mich so wichtige und zugleich für die ganze deutsche Literatur bedeutende Geschäft einer hohen Bundes-Versammlung zu gnädiger Ansicht und günstigem Beschluß nochmals angelegentlichst empfehlen.

Weimar den [11.] Januar 1825.

Johann Wolfgang von Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1825. An die deutsche Bundes-Versammlung. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-949F-6