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An den Herzog Carl August

Ein wahrer Scirocco hat uns endlich von dem Schnee befreyt und Sie werden auch wohl trocknen Boden haben. Die Ilm war groß, ist aber nur an den niedrigsten Plätze aus getreten, über den unteren Weg nach dem Brauhauße und hinten an der Quelle, weil das Wehr nicht eröffnet werden konnte, doch ohne Schaden und zum großen Vergnügen der Ernten welche in völliger Überzeugung waren, diese Anstalt sey um ihrentwillen getroffen.

Unsre Commissarischen Überlegungen haben wir[100] fortgesetzt, es ist sehr angenehm mit diesen drey Männern etwas verhandeln, sie sehen auf die Sache, wollen das Rechte und ich bin überzeugt daß die Einleitung, die wir dem Geschäft geben, rein und für die Folge heilsam seyn werde.

Jena war, wie Sie wißen mit einer Loge bedroht, Bertuch ging gleich von dem Gedancken ab und hat auch Hufelanden recktificirt, Bode hält zu fest an dieser Puppe, als daß man sie ihm soleicht abdisputiren sollte, indeß habe ich ihm mit der größten Aufrichtigkeit das Verhältniß hingelegt und ihm gezeigt warum Sie, weder zu einer solchen Einrichtung Ihre Einwilligung geben, noch durch die Finger sehen könnten. Ihre Erklärung gegen Bertuch kommt also recht erwünscht und der Gedancke ein Collegium über das Unwesen der Geheimen Gesellschafften lesen zu laßen, ist trefflich. Ich habe den Direcktoren der Litt. Zeitung auch einen Vorschlag gethan den sie angenommen haben, wodurch allen geheimen Verbindungen ein harter Stoß versetzt wird. Sie werden es bald gedruckt lesen. Und so ist es gut daß man öffentlich Feindschaft setze zwischen sich und den Narren und Schelmen. Die rechtlichen Leute gewinnen alle durch Publicität.

Der Tod der Gräfinn Ingenheim ist wohl jedermann sehr unerwartet gewesen, niemand macht aber dabey eine sehr andre Reflexion, als daß der Platz nicht lang unbesetzt bleiben werde.

[101] Reichard schreibt mir: er werde mich ehstens besuchen und seine Composition der Claudine mitbringen. Wenn er mich nur das Vergnügen, das ich dabey empfinden kann, nicht allzu theuer bezahlen läßt.

Ihre Frau Gemahlinn sagt mir daß Sie Freude an den ersten Scenen des Tasso gehabt, dadurch ist ein Wunsch, den ich bey dieser gefährlichen Unternehmung vorzüglich gehegt, erfüllt und ich gehe desto muthiger dem Ende entgegen. Ich habe noch drey Scenen zu schreiben die mich wie lose Nymphen zum besten haben, mich bald anlächlen und sich nahe zeigen, dann wieder spröde thun und sich entfernen.

Der erste Versuch in der Wachsmahlerey ist sehr artig gerathen. Krauße hat eine Landschaft gemahlt, an welcher nun freylich Lehrgeld mußte gegeben werden. Für eine leichte Art Mahlerey hat diese Methode viel Vorzüge. Lipsen hingegen ist ein Versuch ausgeführter zu mahlen, wie er mir schreibt, mißlungen.

Knebel hat eine Elegie des Properz recht glücklich übersetzt. Die Frauen sagen: ich könnte sie gemacht haben; da sies aber auf den Charackter und nicht aufs poetische Verdienst nehmen; so ists nicht sehr schmeichelhaft. Auch hat Knebel ein gut Quartier gemiethet an der Ecke des Marcktes, wo ehmals die Batsch wohnte. Er ist Ihnen so näher und auf den Sommer fixirt. Ich liege ihm sehr an daß er zu übersetzen fortfahre und die Erotica den schönen [102] Herzen nahlege. Ich leugne nicht daß ich ihnen im Stillen ergeben bin. Ein Paar neue Gedichte sind dieser Tage zu Stande gekommen, sie liegen mit den andern unter Raphaels Schädel, wohin das Cahier in meinem Schranke durch Zufall kam und nun, um des ominosen willen, da bleiben soll. Moritzen amüsirte diese Combination gar sehr.

Moritz hat mir geschrieben. Er empfiehlt sich Ihnen, es geht ihm sehr gut. Die guten Götter erhalten ihm Heynitzen lang! Gelegentlich will ich ihnen etwas zur Monatschrift schicken.

Unger hat den ersten Bogen des Carnevals und zwey der Iphigenie gesendet, beyde sehr schön gedruckt, nur möcht ich sagen, bey jenem die Lettern zu groß, bey dieser zu klein.

Wenn ich vor den Feyertagen die letzte Scene des ersten Acktes, wo Antonio zu den vier Personen, die wir nun kennen, hinzutritt, fertigen könnte, wäre ich sehr glücklich. Fast zweifle ich dran. Sobald sie geschrieben ist, schicke ich sie.

Sagen Sie mir gelegentlich ein Wort wie Sie Sich befinden. Ich fürchte das leidige Übel hat Sie noch nicht verlaßen. Ich werde ihm ehstens in Hexametern und Pentametern aufs schmählichste begegnen, das hilft aber nicht zur Cur. Leben Sie wohl und lieben mich. W. d. 6. Apr. 89.

G. [103]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1789. An den Herzog Carl August. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-94F8-9