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An Johann Friedrich Cotta

Tennstedt den 2. September 1816.

So ganz zufrieden kann ich mich noch nicht geben, daß meine Reise auf das ungeschickteste unterbrochen wurde: denn ich bedurfte einiger Anfrischung der Sinne, Erquickung des Gemüths, neue Gegenden, Bekanntschaften und Theilnehmende; aber Ew. Wohlgeboren am Ziele meiner Reise zu wissen belebte vor allen Dingen meinen Vorsatz, weil es, vielleicht mehr als jemals, an der Zeit ist daß zusammenwirkende Freunde sich besprechen, über das Viele, das in Bewegung kommt und bey seinem Verlauf immer zuletzt nach Schrift und Druck strebt, wie Ihnen mehr als jemanden bekannt wird.

Nun drängt sich auch zu mir das Zutrauen so vieler Jüngeren, die, meinen guten Willen und meine Beharrlichkeit beachtend, sich an mich schließen, wodurch ich in so manche schöne Thätigkeit hineinschaue, [159] wovon ich das Einzelne bis zu bedeutenden Momenten mitzutheilen verspare.

Und nun erlauben Sie daß ich das was uns zunächst angeht punctweis berühre.

I. Meiner Werke eilfter Band folgt hierbey, der zwölfte soll nicht lange ausbleiben.

II. Von der Italiänischen Reise erstem Band haben Sie wohl schon Aushänge-Bogen, denen ich eine gute Aufnahme wünsche, das Manuscript ist durchaus bereit.

III. Sodann könnten wir das zweyte Heft Rhein und Mayn sogleich zum Druck befördern. Geschieht's mit Ihrer Vergünstigung, so lasse ich die Decke, mit veränderter Nummer, sogleich abdrucken, damit wir zuletzt nicht aufgehalten werden. Dieselbige Platte, mit geringer Nachhülfe, wird ihre Dienste thun.

IV. Sodann könnte der zweyte Theil der Italiänischen Reise vorgenommen werden, wozu alles vorbereitet und ein großer Theil in reinlicher Abschrift vorhanden ist.

V. Ferner würde der vierte Theil der ersten Abtheilung aus meinem Leben an die Reihe kommen und diese sämmtlichen Bemühungen auf Einen Zweck arbeitend ihre Wirkung schwerlich verfehlen.

VI. Vielleicht ist kaum erinnerlich, daß vor Jahren über organische Bildung und Umbildung eine[160] Sammlung erscheinen sollte, wovon die dazu gehörige Metamorphose der Pflanzen bey Frommann schon abgedruckt liegt.

Diese Dinge sind nun auch an der Zeit. Jüngere Männer, die sich nun mit Vergnügen zu den Ideen bekennen, die ich vor dreyßig Jahren emsig-mühsam aus der Natur auszuforschen trachtete, haben auf diesem Wege vieles geleistet und freuen sich meiner Theilnahme, wie ich mich ihrer Arbeiten.

Die Erfurter naturforschende Gesellschaft gestaltet sich auch wieder. Und das, von mehreren Gliedern, mir zugedachte Präsidium wollte ich lieber stilltheilnehmend bestätigen. Einige gedachter Freunde, meldet man mir, haben sich mit Ew. Wohlgeb. in Relation gesetzt. Und auch in diesem Sinne will ich in der Folge gern mit eingreifen.

VII. Unter dieser Nummer möge lieber manches ruhen, was bey mir und meinen Freunden vorgearbeitet liegt, und, durch pedantische Widersetzlichkeit der Gilden, durch vergeudende Unverschämtheit der Präoccupanten, vorzüglich aber durch die gräßlichen Zeiten zurück gedrängt worden. Hievon soll nach und nach nähere Kenntniß und Anfrage erfolgen.

Alles kommt darauf an daß ein Unternehmen glücklich in die Zeit eingreife! Und eine solche Epoche soll auch der Farbenlehre noch zu Gunsten kommen. Was ich hier andeute ist nicht fern, nur muß man jetzt von Tag zu Tag aufpassen. Das Rechte ist [161] immer selbst gleich, unbedingt und ewig. Daß aber die Zeit es anerkennte und, was ihr so Noth thäte, zu ihren vielfach bedrängten Zwecken es nutzte, das ist ein anders, dessen auch selbst die Götter nicht Herr zu seyn scheinen.

Sie sehen aus diesem vielen, da ich die Gränzen brieflicher Mittheilung in jedem Sinn überschreite, wie viel und wie vielerley ich zu sagen hatte, und daß ich dem ungeschickten Fuhrmann auf ewig gram seyn muß.

Mich angelegentlichst empfehlend

ergebenst Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1816. An Johann Friedrich Cotta. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9533-E