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An Friedrich Heinrich Jacobi

Den Wein habe ich mir wohl schmecken lassen und noch nicht gedanckt. Verzeih ich bin lahm zum Briefschreiben. Das Gegenwärtige drängt so auf mich zu daß ich nur sehen muß wie ich durchkomme. Wir haben neulich deine Gesundheit recht herzlich getruncken, mögte die Würckung unsrer Wünsche recht kräfftig zu dir gelangt seyn.

Ich übe mich an Spinoza, ich lese und lese ihn wieder, und erwarte mit Verlangen biß der Streit über seinen Leichnam losbrechen wird. Ich enthalte mich alles Urtheils doch bekenne ich, daß ich mit Herdern in diesen Materien sehr einverstanden bin. Theile ia alles mit was du von Haman empfängst. Gott erhalt ihn noch lange da uns Nathan entronnen ist. Die Crethi und Plethi sterben nicht aus, und der Kinder Zerujah sind soviel mit denen man nichts zu schaffen haben mag.

Dancke der Fürstinn für die Hemsterhuisischen Schrifften. Hier kommt Alexis. Eh ich eine Sylbemeta ta physica schreibe muß ich nothwendig diephysica besser absolvirt haben. In diesen bin ich fleisig wie es die Zeit und der Zustand meines hin und her gezerrten Gemüthes leiden.

Mein Osteologischer Versuch, wodurch ich den berüchigten Zwischenknochen auch dem Menschen zueigne, [7] ist an Campern fort. Wünsche mir Glück zu dieser neu betretnen Laufbahn. Ehstens werde ich den Cassler Elephanten Schädel kürzlich kommentiren und was alles darauf folgen wird.

In meiner Stube keimt Arbor Dianae und andre metallische Vegetationen. Ein Mikroscop ist aufgestellt um die Versuche des v. Gleichen genannt Rußwurm mit Frühlings Eintritt nachzubeobachten und zu kontrolliren. Ich mag und kann dir nicht vorerzählen worauf ich in allen Naturreichen ausgehe. Des stillen Chaos gar nicht zu gedencken das sich immer schöner sondert und im Werden reinigt.

Wenn mir nicht manchmal eine rythmische Schnurre durch den Kopf führe ich kennte mich selbst nicht mehr.

Daß ich dir noch einmal für die Kobels dancke! sie sind ganz fürtrefflich und rechte Stärkung für den Künstler Sinn.

Herder soll deine Büste haben. Hätte uns Lehngen bey der Arbeit beygestanden, so wäre sie wohl besser. Es geht nichts über ein frisches liebendes Weiberauge. und hiermit noch einen Grus an die deinigen und gute Nacht.

Weimar d. 12. Jan. 1785.

G.

Frau von Stein grüsst dich.
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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1785. An Friedrich Heinrich Jacobi. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9551-A