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An Christian Gottlob Voigt

So sehr ich gewünscht hätte Ew. Excellenz und werthe Familie endlich in Jena einmal zu begrüßen, besonders da auch bey Regenwetter in den freundlichen Sälen der Museen gar manches Herrliche und Erfreuliche vorgezeigt werden kann, so will ich doch nicht läugnen, daß ich, bey Unsicherheit der Atmosphäre, bey schlimmem Weg in dem höchst zerrissenen Mühlthal, selbst nicht rathen könnte eine zweifelhafte Reise zu unternehmen.

Rath Vulpius wird das Tagebuch seiner hiesigen Beschäftigungen gehorsamst vorlegen und mündlich deshalb umständlichen Rapport thun. Aus beiden zusammen werden Ew. Excellenz geneigt ersehen, daß alles frisch vorwärts geht, daß für die Zeit eines halben Jahres schon manches gethan ist und bey einer solchen Vorbereitung bis Michael gar viel geschehen kann. Haben wir nur den Juni überstanden und gut angewendet, so können wir hoffen, daß das Geschäft nicht wieder zurückgeht.

[178] Meine Glaube bestärkt sich, die sämmtlichen Angestellten nehmen wahrhaften Antheil und die Professor-Weise, deren Maxime blos ist zu hindern und zu lähmen, kann uns nichts mehr anhaben.

Gar vielen scheint es ein Dorn im Auge, daß ein Todter mit so wenigem wieder aufgeweckt wird.

Den Bericht über die Statuten werde nächstens übersenden; wir können uns sehr kurz fassen, indem wir uns auf die weitläufige Darstellung des letzten Hauptberichtes berufen. Ich habe dort, die akademischen Anmaßungen voraussehend, alles derb und umständlich ausgesprochen, wir können jetzt desto kürzer und höflicher verfahren.

Über gewisse Dinge, welche die Ober-Aufsicht nicht berühren, erlauben Ew. Excellenz mir einige vertrauliche Bemerkungen:

In dem Statuten-Entwurf der philosophischen Facultät stehen die allerkomischsten Dinge. Eben dieselben Menschen, die eine unbegrenzte Preßfreiheit mit Wuthverlangen, wollen die Lehrfreiheit ihrer Collegen auf das unerlaubteste begrenzen und so erscheint überall nichts als Selbstsucht und heftige Wahrung des eigenen Vortheils.

Die Mittagsstunde ruft mich nach Dornburg, man sagt nicht viel Gutes vom Wege, der freilich nur ein übereilter Sommer-Weg ist. Weil dorther die Rückkunft nicht bestimmt werden kann, so schließe dieses Blatt mit den besten Wünschen und Grüßen, damit [179] es noch mit den heutigen Boten zu Ew. Excellenz gelange.

und so fort und für ewig

Jena den 19. May 1818.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1818. An Christian Gottlob Voigt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9554-4