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An Johann Heinrich Merck

Bern, den 17. Oct. 1779.

Wir hatten immer das glücklichste Wetter gehabt. In Speier mit Beroldingen gegessen, einen ganzen Nachmittag mit ihm. In Emmendingen Alles recht gut und brav; hinter Freiburg in die Hölle, einen guten Tag mit Schlossers und den Mädels. In Basel Mechel; bei ihm interessante Wiener Portraits pp., Gegend, Bibliothek, Holbeins pp., Antiquitäten, Fabriken pp. Durch Münsterthal, eine herrliche Felsgegend, abwechselnd, durch Münster auf Biel. [86] In die Weinlese kamen wir, da, wo die Trauben berühmt sind; halbstürmischen, schönen Tag auf dem See, nach Rousseau's Insel, eben im Weinlesen begriffen, für drei Jahr Trauben gessen. Auf Anet, sodann wieder bis Blaise, am Neuburger See einen Mittag gefeiert, hohe Sonnenblicke auf Murten, der einzige Regentag. Auf Bern; nach einer kleinen gedruckten Anweisung Wyttenbachs auf die Glätscher. Über Thun, Unterseen ins Lauterbrunn, Staubbach, auf den Steinberg, die Glätscher gegenüber bis ans Tschingelhorn, zurück, dann in Grindelwald, die beiden Glätscher und unbeschreibliche Tage über den Scheideck ins Oberhasli durch den Grund bis Guttanen zurück auf Meyringen. In der höchsten Klarheit des Himmels, Wärme und Kühle, ein grün über alles, und Farben an den abstehenden noch ganz beblätterten Bäumen!! In Tracht bei Brienz schlafen. Mit Sonnenaufgang auf den Brienzer See. Über Unterseen auf den Thuner, nach Thun, auf Bern, auf Langenau. Beim alten Micheli eine Nacht, auf Hindelbank das Grab der Langhans, nach Bern zurück, immer vollkommen Wetter! Die Bibliothek, das Zeughaus, Sprünglin's Sammlung, höchst interessant. Bei Wyttenbachen war ich diesen Morgen drei Stunden, er ist sehr instructiv. Er hat von allen Bergen und Enden der Schweiz die Steinarten zusammengelesen, ist ein recht artiger Mann. Allerlei Leute besucht. Aberli, ein Mahler! Der junge Wocher[87] wird recht brav. In Biel einen kennen lernen, Hartmann, von dem ich mitbringe. Über alles, was sich denken läßt, zeichnet der junge Schütz, der jetzt bei einem Handelsmann, Burkhardt in Basel, ist. Aberli macht seine Studien nach der Natur in Öl trefflich.

Wir sind wohl, mit unter recht lustig, der Herzog grüßt und Wedel. Von Lavatern hab ich mir allerlei interessante Menschen nennen lassen pp. So viel im Vogelflug von unserer Tour, daß du folgen kannst und siehst, daß bisher die Götter mit uns waren. Morgen gehen wir auf Lausanne.

Eben da ich so schrieb, sah ich durch die Schornsteine, daß die Sonne untergieng, und lief schnell auf die Terasse hinter dem Münster. Sie war schon untergegangen und an den Schneebergen stand noch das Roth, und der Mond oben darüber, du kennst den Anblick. Adieu. Schick diesen Brief, wenn du ihn gelesen hast, meinen Eltern. Adieu.

Meine Mutter soll künftig alle Packete an Herrn Gedeon Burkhardt in Basel adressiren. Was sie bisher abgeschickt hat, haben wir zu verschiedenenmalen erhalten. Es ist uns nachgekommen.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1779. An Johann Heinrich Merck. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-956C-0