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An Aloys Hirt
Ew. Wohlgeb.
haben mir durch die Übersendung Ihrer schätzbaren Abhandlungen eine wahre Freude gemacht. Sie werden nicht geringen Nutzen stiften wenn Sie das nach und nach dem Publikum mittheilen was Sie mit so vielem Nachdenken und Fleiß ausgearbeitet haben.
Mich verlangt sehr Ihr Werk über die Construction, als Grundlage dessen, was in der Baukunst zuletzt blos Zierrath geworden ist, vollendet zu seyen. Wie sich die organische Natur zur bildenden Kunst verhält, so verhält sich der Begriff der Construction zur Architektur, und es ist nothwendig und löblich beyde Fundamente recht fest zu gründen, wenn das darauf gebaute nicht schwanken soll.
Ich wünsche daß Sie immer ein günstiger Leser unserer Propyläen bleiben mögen, in welchen wir [214] nicht aufhören werden auf solide Kunst zu dringen. Es giebt wirklich unter unsern Zeitgenossen sehr schöne Talente, denen nichts fehlt als daß sie in ihrer frühern Zeit nicht sind veranlaßt worden die Sache ernsthafter zu tractiren.
Was das theoretische betrifft, so möchte wohl jedem die Art, wie er die Dinge ansieht, angeboren seyn, und wir können uns meistens nur von dem, wie andere die Sache nehmen, historisch unterrichten, wir können andere auf ihrem Felde besuchen; aber wir kehren geschwind auf unsern eignen Standpunct zurück. Doch giebt es auch, wie Sie ganz richtig bemerken, Mißverständnisse zwischen denen, welche sehr nahe beysammen stehen, und die muß man so viel als möglich zu heben bemüht seyn.
Fast möchte ich Sie um Ihre Reise nach Niederdeutschland beneiden. Schon lange habe ich mir gewünscht die daselbst aufbewahrten Kunstwerke auch einmal zu sehen.
Herr Büry ist gegenwärtig bey uns und erinnert mich an die guten leider in mehr als Einem Sinne, verschwundenen römischen Zeiten.
Der ich recht wohl zu leben wünsche und mich geneigtem Andencken empfehle.
W. d. 4. Nov. 99.
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