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An Johann Heinrich Meyer

Sie haben mich, theurer Freund, durch die übersendeten Kupfer wirklich in Verlegenheit gesetzt: denn ich weiß nicht was ich davon zurückschicken soll, und denke sie eben sämmtlich zu behalten.

Lege ich noch die meinigen hinzu, welche ich von den drey großen Meistern, Rafael, Michel Angelo und Jul. Romano, besitze, so giebt es auf einmal ein Portefeuille köstlichen Inhalts und wenn auch die [29] Abdrücke nicht die besten sind, so sind sie auch wohlfeil und immer noch genug daraus zu nehmen.

Ich habe erst an diesen Dingen gesehen, wieviel man vermißt, wenn man nicht immer etwas Vorzügliches in seiner Umgebung hat.

Das Wundersamste, mir bisher ganz unbekannte darunter ist der durch die Posaune von oben aufschreckte Weltmensch, ein Bild von der ersten und seltsamsten Großheit. Warum mussten doch die Zeichnungen von Michel Angelo zum Dante verloren gehen!

Kaaz hat sich hier ganz wohl befunden, aber hier so wenig als drüben gethan; einige hübsche Entwürfe nach der Natur ließ er den hiesigen Freunden.

Es war ein Glück, daß er seinen Gemäldekasten aufmachte: die Bilder waren flüchtig gepackt und ein losgegangener Nagel hatte schon manches, doch reparables Unheil angerichtet.

Daß ich auch einiges landschaftliche zeichne mag ich kaum erwähnen, indem es immer auf die alte Weise geschieht, wobey nichts herauskommen kann. Da ich es jedoch behandle, wie andre das Tabakrauchen; so mag es hingehen.

Der neue Roman ist bis zum 7. Bogen gedruckt in unsern Händen. Es wird sorgfältig daran redigirt, corrigirt und revidirt und ist kaum abzusehen wie bis Michael das ganze fertig seyn soll. Indessen ohne eine solche Nöthigung käme man gar nicht zu Stande.

[30] Zum Fleiße Ihrer Schüler im Privatissimum wünsche ich viel Glück.

Wie sieht es mit den Zimmern in Ihrer Nachbarschaft aus? Auf mein Promemoria habe ich eine günstige Entschließung erhalten und Sie werden also gleich, wenn Herr von Müssling ausgezogen ist, in unserm Namen Besitz von diesem Local nehmen. Überdenken Sie alsdann was zu thun sey und wie man die Wände geschwind benutzt.

Das Wetter begünstigt endlich meinen hiesigen Aufenthalt. Ich wünsche mir ein solches noch vier Wochen, um mit Baden und Brunnentrinken mich über die fehlgeschlagene Reise nach Carlsbad trösten zu können.

Ich will in diesen Tagen nach dem auf der Rückseite der Kupfer verzeichneten Preise eine Rechnung aufstellen, und mich zu der Summe, allenfalls zu Michaelis zahlbar, bekennen. Leben Sie recht wohl und sagen Sie mir gelegentlich ein Wörtchen.

Jena den 11. August 1809.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1809. An Johann Heinrich Meyer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-95AE-9