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An Carl Friedrich Zelter

So mancher Reisende zeugt von Ihren Wercken und Thaten, insofern sie erscheinen und nach aussen wircken; Ihr erquickender Brief läßt mich in's innre sehen, wo keine Stahlfeder treibt, sondern ein lebendiger Geist anregt. Wie schätz ich Sie glücklich daß Sie in diesem selbstgeschaffnen Elemente bildend fortwircken und daß Sie etwas hoffen können auch etwas für die Dauer geleistet zu haben. Dabey muß man denn[109] auch, däucht ich, der großen Masse zu Ehrenreden, auf die man oft schilt, die aber denn doch die bildsamen Organe hergiebt und auch Mittel verleiht das geleistete fortzupflanzen. Wir andern, in unsern engen Kreisen, thun, wie Zauberer, augenblickliche Wunder und sehen sogleich jedes aus der Luft gerissne Phantom wieder in die Luft zerfließen.

Haben Sie Abschrift oder Conzept Ihres eingereichten Aufsatzes; so theilen Sie mir ihn mit, daß ich mich daran labe. Was Sie davon melden ist ganz nach meinem Herzen.

Freylich haben die Menschen überhaupt gewöhnlich nur den Begriff vom Neben- und Miteinander, nicht das Gefühl von In- und Durcheinander, denn man begreift nur was man selbst machen kann, und man faßt nur was man selbst hervorbringen kann. Weil in der Erfahrung alles zerstückelt erscheint; so glaubt man das Höchste auch aus Stücken zusammensetzen zu können.

Von dem herrlichen Genuß den Sie so manchem gewähren bin ich leider getrennt; was ich mir davon im Geiste zueigne, ist mir schon ein großes Gut. Sagen Sie mir manchmal ein frohes, lebendiges Wort!

Fast möchte ich schließen, doch füge noch einiges besondre hinzu.

Was unser Schauspiel zu leisten vermag hat sich beym Tell gezeigt, der recht gehörig gegeben worden.

[110] Unsre Oper ist dagegen desto unerfreulicher. Gestern fand ich Ihre schönen Bemerckungen über so manche Orchesterpunckte, davon ich keinen Gebrauch machen können, weil ich das Chaotische Wesen eben aufgeben mußte. Darf ich etwa die kleinen Aufsätze in das Intell. Blatt der Jenaischen ALZ. einrücken lassen? unter den Strich, am Ende, wo Sie manche gute Bemerckung über Kunst und Sprache werden gefunden haben. Darf ich W. K. F. darunter setzen? Wodurch wir die Aufsätze bezeichnen, die von uns, oder ganz in unserm Sinne sind. Wo möglich geben Sie uns auch bald eine Recension.

Mein Schreiber ist von mir weggezogen und so muß ich, nach so vielen Jahren, selbst wieder die Feder ergreifen. Ob ich einen andern finde der mir eben so bequem ist? ob ich eigenhändig ein besserer oder schlimmerer Correspondent werde muß sich zeigen.

Eben finde ich Ihren Brief mit welchem Sie mir die Bemerckung über Orchester schickten. Gewiß, wenn Sie solche gedruckt sähen, würden Sie gereitzt werden auf diesem Wege weiter zu gehen und zu sprechen. Ich wünsche gar sehr Ihre Erlaubniß. So etwas, einmal im Publicum, bleibt nicht ohne Wirckung für uns alle.

Leben Sie recht wohl. Ich sinne wie es möglich seyn könnte Sie dieses Jahr auf irgend eine Weise zu sehen.

[111] Danck für die Commödienzettel. Fahren Sie mit dieser Gabe fort.

W. d. 28. März 1804.

Goethe. [112]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1804. An Carl Friedrich Zelter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-95F3-B